Erich Mielke






Erich Mielke (1976)


Erich Fritz Emil Mielke (* 28. Dezember 1907 in Berlin; † 21. Mai 2000 ebenda) war ein deutscher Politiker der SED. Er war in der DDR von 1957 bis zu seinem Rücktritt 1989 Minister für Staatssicherheit. Mielke war ab 1946 einer der Hauptverantwortlichen für den Ausbau der Sicherheitsorgane der SBZ/DDR zu einem flächendeckenden Kontroll-, Überwachungs- und Unterdrückungssystem. Ab Ende 1989 mehrmals in Untersuchungshaft genommen, verurteilte ihn das Landgericht Berlin 1993 wegen eines 1931 verübten Mordes an zwei Polizisten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Leben


    • 1.1 Jugend und Ausbildung


    • 1.2 Aktives KPD-Mitglied


    • 1.3 Nach der Flucht in die Sowjetunion und im Spanischen Bürgerkrieg


    • 1.4 Im Zweiten Weltkrieg


    • 1.5 Politische Karriere in der SBZ/DDR


    • 1.6 Rücktritt, Verurteilung und Tod


    • 1.7 Privatleben




  • 2 Auszeichnungen


  • 3 Wirken und Rezeption


    • 3.1 Zitate


    • 3.2 „Leistner ist Mielke“ – Das ungeklärte Verschwinden Willi Kreikemeyers


    • 3.3 Das Ministerium für Staatssicherheit




  • 4 Schriften


  • 5 Literatur


  • 6 Film


  • 7 Weblinks


  • 8 Einzelnachweise





Leben |




Trauerzug für die von Mielke und Ziemer ermordeten Polizisten, Berlin, August 1931



Jugend und Ausbildung |


Erich Mielke wuchs in Berlin-Wedding als Sohn eines Stellmachers in einem proletarischen Umfeld auf.[1] Die sechsköpfige Familie – Mielke hatte drei Geschwister – bewohnte eine 30-Quadratmeter-Wohnung. Seine Eltern zählten 1918 zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).[2] Infolge einer Begabtenauswahl erhielt Mielke 1923 einen Freiplatz am Köllnischen Gymnasium. Er verließ die Schule wegen Schwierigkeiten beim Erlernen der klassischen Sprachen bereits nach einem Jahr und absolvierte anschließend bis 1927 eine Lehre als Speditionskaufmann. Nach dem Abschluss seiner Ausbildung arbeitete Mielke zuletzt bei einer Firma des Siemens-Konzerns, die ihn im Januar 1931 wegen eines Arbeitskampfs entließ.



Aktives KPD-Mitglied |


Schon 1921 war Mielke dem KJVD beigetreten. Eigenen Angaben zufolge wurde er 1925 Mitglied der KPD. Auch der Roten Hilfe und dem Roten Frontkämpferbund (RFB) gehörte Mielke an. Im RFB hatte er die Funktion eines „Schriftführers und Kulturobmanns“ inne. Wegen der Teilnahme an einer verbotenen KPD-Demonstration in Leipzig verbüßte Mielke 1930 eine mehrtägige Ordnungsstrafe im Polizeigefängnis am Alexanderplatz. Arbeitslos geworden, beschäftigte ihn 1931 die kommunistische Rote Fahne, wobei eine Tätigkeit als „Lokalreporter“ ins Reich der Legende gehört.[3] Ebenfalls gehörte Mielke dem 1931 gegründeten Parteiselbstschutz, einer paramilitärisch organisierten und bewaffneten Gruppe der Partei, an. In dieser Eigenschaft erschossen er und das Selbstschutzmitglied Erich Ziemer am 9. August 1931 auf dem Bülowplatz in Berlin die Polizeioffiziere Paul Anlauf und Franz Lenck auf offener Straße.[4] Die KPD schaffte die beiden daraufhin einige Tage später in die Sowjetunion. Mielke behauptete später, die NS-Justiz hätte ihn 1934 „in Abwesenheit verurteilt zum Tode (Bülowplatz)“. Tatsächlich war das Verfahren gegen ihn durch Beschluss vom 23. April 1934 gemäß § 205 StPO noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens eingestellt worden, da man seiner nicht habhaft werden konnte.[5]



Nach der Flucht in die Sowjetunion und im Spanischen Bürgerkrieg |


In Moskau erhielt er von 1932 bis 1936 eine politische und militärische Ausbildung an der Lenin-Schule und kämpfte von 1936 bis 1939 unter dem Decknamen Fritz Leissner im Spanischen Bürgerkrieg bei den Internationalen Brigaden. Zuletzt im Range eines Hauptmanns, versah Mielke nach eigenen Angaben vor allem Stabsdienst in den Führungen der XI. und XIV. Brigade sowie Aufgaben als „Kaderoffizier“ (Politoffizier) in der 27. Division. Unter anderem war er zuständig für das Umsetzen der Stalinschen Säuberungen in diesen Einheiten. Walter Janka soll, wie andere Spanienkämpfer auch, bezeugen, „… Erich Mielke als Offizier der SIM, der stalinistischen Geheimpolizei in Spanien“ (Servicio de Investigación Militar) gesehen zu haben.[6]





Fahndungsplakat vom September 1933, das Mielke (oben rechts) und andere (u. a. Walter Ulbricht unten links) wegen des Doppelmordes vom 9. August 1931 zeigt.


In der Endphase des Spanischen Bürgerkrieges begab sich Mielke im Februar 1939 über die Pyrenäen nach Frankreich, wo er zusammen mit anderen Interbrigadisten zunächst interniert wurde, dann aber nach Kontaktaufnahme mit der KPD-Leitung im Mai 1939 auftragsgemäß nach Belgien ging. Entgegen einer später von ihm verbreiteten Legende hielt sich Mielke unter seinem Klarnamen in Belgien auf und wurde nicht aus Deutschland ausgebürgert. Die Staatsanwaltschaft Berlin verzichtete auf ein Auslieferungsersuchen für Mielke. Sie sah die Polizistenmorde als ein „politisches Verbrechen“ an, wofür der Auslieferungsvertrag mit Belgien keine Auslieferung erlaubte.[7]



Im Zweiten Weltkrieg |


Unter dem Decknamen Gaston war Mielke bis in die Monate nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Mitherausgeber der für Deutschland bestimmten und bis Februar 1940 illegal von der KPD im Grenzgebiet zu Belgien verbreiteten Neuen Rheinischen Zeitung. Die deutsche Invasion veranlasste die Regierung Belgiens im Mai 1940 zum Abtransport aller deutschen Staatsangehörigen in französische Internierungslager.


Mielke kam Ende Mai 1940 in das Lager Cyprien, aus dem er im August 1940 nach Toulouse flüchtete. Vermutlich fand Mielke im September 1940 Unterschlupf in einem französischen Arbeitskommando für Ausländer. Im Sommer 1941 nahm Mielke eine weitere Identität als „Richard Hebel“ an und erbat bei dem KPD-Funktionär Willi Kreikemeyer in Marseille Hilfe bei der Ausreise nach Mexiko und materielle Unterstützung, die er erhielt.[8] Nachdem deutsche Truppen infolge der Landung der Amerikaner in Nordafrika im November 1942 Südfrankreich besetzt hatten, löste sich die Marseiller Emigrantenszene auf. Verbürgt sind jedoch spätere Kontakte der KPD-Gruppe in Toulouse, wo Mielke sich Leisner nannte, zur Parteiführung in Moskau. Im März 1943 telegrafierte von dort der KPD-Vorsitzende Wilhelm Pieck, der das Pseudonym entschlüsselt hatte: „Sicherung Leisner wegen Bülowplatzsache“.[9]


Ab Januar 1944 gehörte Mielke der nationalsozialistischen Organisation Todt an, die in den besetzten Staatsgebieten Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge zur Errichtung militärischer Anlagen einsetzte. Im Dezember 1944 kam er mit der Organisation Todt zurück nach Deutschland. In seiner stark gefälschten und geschönten Biografie von 1951 kaschierte er seine unrühmlichen Aktivitäten für die Organisation Todt als Tätigkeit in einer „Arbeiterkompanie“.[10]



Politische Karriere in der SBZ/DDR |





Erich Honecker gratuliert Erich Mielke (rechts) zum 30-jährigen Jubiläum des Ministeriums für Staatssicherheit, Februar 1980




Erich Mielke in seinem Wahlkreis 36 Bezirk Halle zusammen mit Genossenschaftsbauern der ZGE Milchproduktion Nessa, Mai 1981


Mielke wurde sofort Leiter der Polizeiinspektion Berlin-Lichtenberg im sowjetischen Sektor. Außerdem wurde ihm im Zentralkomitee der KPD die Funktion des Abteilungsleiters für Polizei und Justiz übertragen. Vom Juli 1946 an war er Vizepräsident der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI), die mit Gründung der DDR in Ministerium für Inneres umbenannt wurde, und innerhalb derer er ab Mai 1949 die Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft aufbaute.


Bei der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS, „Stasi“) im Februar 1950 wurde Wilhelm Zaisser als Minister eingesetzt und Erich Mielke, neben Joseph Gutsche und anderen, einer seiner Stellvertreter im Range eines Staatssekretärs. Im gleichen Jahr wurde er auch Mitglied des Zentralkomitees der SED. Der Prozess gegen den westdeutschen KPD-Bundestagsabgeordneten Kurt Müller wurde maßgeblich von Mielke vorbereitet. Nach den Ereignissen des 17. Juni 1953 wurde Zaisser abgesetzt, Ernst Wollweber übernahm die Leitung des MfS. 1957 entließ Walter Ulbricht Wollweber auf dessen Wunsch, und Mielke wurde zum Leiter des MfS ernannt. Diese Position bekleidete er bis zum 7. November 1989. Zur Zeit von Mielkes Amtsantritt zählte die Behörde rund 14.000 hauptamtliche Mitarbeiter, Ende 1989 91.000.


Von 1958 bis 1989 war Mielke Abgeordneter der Volkskammer.


Ab 1971 wurde Mielke Kandidat und ab 1976 Vollmitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED. Von 1960 bis 1989 war er Mitglied des Nationalen Verteidigungsrates der DDR (NVR), ab 1980 Armeegeneral.


Von 1953 bis 1989 war er erster Vorsitzender der Sportvereinigung Dynamo. Von 1957 bis 1989 war er Mitglied des Vorstandes des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) der DDR und Mitglied des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport der DDR.[11]



Rücktritt, Verurteilung und Tod |


Am 7. November 1989 trat Mielke zusammen mit der gesamten Regierung Stoph zurück, am folgenden Tag zusammen mit dem gesamten Politbüro des ZK der SED. Am 17. November wurde sein Abgeordnetenmandat aufgehoben. Am 3. Dezember 1989 wurde Mielke aus der SED ausgeschlossen, am 7. Dezember 1989 kam er unter dem Vorwurf der „Schädigung der Volkswirtschaft“ und des „Hochverrats durch verfassungsfeindliche Aktionen“ in Untersuchungshaft.[12] Er wurde am 2. Februar 1990 ins Haftkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen verbracht, aus dem er am 8. März 1990 aus gesundheitlichen Gründen entlassen wurde. Im Juli desselben Jahres kam er erneut in Untersuchungshaft, nachdem das Krankenhaus der Volkspolizei die Haftfähigkeit bestätigt hatte, unter anderem wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Rechtsbeugung“. Zunächst kam er in ein West-Berliner Krankenhaus, dann in die Haftanstalten Rummelsburg in Ost-Berlin und anschließend nach Plötzensee. Am 4. Oktober 1990 wurde Mielke auf Antrag seines Anwalts wegen schlechter Haftbedingungen in die JVA Moabit verlegt, wo er für längere Zeit verblieb. Inzwischen konzentrierten sich die Ermittlungen auf Mielkes Beteiligung an dem Mordanschlag auf dem Bülowplatz im Jahr 1931.


Das 1934 eingeleitete Verfahren gegen Mielke wegen des Doppelmords wurde seinerzeit vom Landgericht Berlin eingestellt, weil Mielke flüchtig war. In einem groß angelegten Prozess wurden nach Wiederaufnahme der Ermittlungen im Juni 1934 unter anderem Max Matern wegen seiner Beteiligung am Doppelmord zum Tode verurteilt und hingerichtet und der ebenfalls angeklagte Mittäter und spätere Generalmajor des MfS Erich Wichert zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.[13] Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erließ die Staatsanwaltschaft der Viersektorenstadt Berlin erneut Haftbefehl gegen Mielke, doch beschlagnahmte die sowjetische Besatzungsmacht die Verfahrensakten. Nach der Wiedervereinigung eröffnete das Landgericht Berlin im November 1991 das Hauptverfahren gegen Mielke wegen der „Bülowplatzsache“.[14] Mielke wurde des Mordes angeklagt. Die vom Februar 1992 bis zum 26. Oktober 1993 geführte Verhandlung endete mit seiner Verurteilung wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Ende 1995 wurde Mielke, nachdem er insgesamt mehr als zwei Drittel der sechs Jahre verbüßt hatte, im Alter von 88 Jahren auf Bewährung entlassen.


Mielke wurde als Mitglied des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und damit Mitverantwortlicher für den Schießbefehl an der Berliner Mauer und Innerdeutschen Grenze angeklagt. Das Gerichtsverfahren, in dem sich auch andere Mitglieder der Staatsführung der DDR verantworten mussten, wurde am 13. November 1992 vor der 27. Kammer des Landgerichts Berlin eröffnet, doch wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten wurde das Verfahren gegen Mielke vom Hauptverfahren abgetrennt und schließlich eingestellt.


Mielke starb am 21. Mai 2000 in einem Altenpflegeheim in Berlin-Neu-Hohenschönhausen. Nach seiner Einäscherung im Krematorium Meißen[15] fand er am 6. Juni auf eigenen Wunsch seine letzte Ruhestätte in einem namenlosen Urnengrab auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde.



Privatleben |


Mielke heiratete am 18. Dezember 1948 die Näherin Gertrud Müller (* 1909); kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Frank. Dieser wurde hauptamtlicher Mitarbeiter im Sanitätsdienst des MfS, nach dessen Ende betrieb er mit seiner Frau, die ebenfalls dem MfS angehört hatte, eine internistische Gemeinschaftspraxis in Berlin. Auch die Pflegetochter Inge war, wie ihr Ehemann, hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS (* 1946).[16][17][18][19]



Auszeichnungen |




Wirken und Rezeption |



Zitate |


Am 13. November 1989 sprach Mielke vor der DDR-Volkskammer mit den Worten:





„Ich liebe – Ich liebe doch alle – alle Menschen – Na ich liebe doch – Ich setze mich doch dafür ein.“




Erich Mielke: BStU: Mielkes Auftritt vor der Volkskammer[20]


Mielkes Worte, die mit lautem Gelächter quittiert wurden, gehören, ironisch zugespitzt, zu den meistzitierten der Wendezeit: „Ich liebe euch doch alle“.


Seinem Ausspruch vorausgegangen war – nachdem Mielke während seiner gestammelten Ausführungen die Gesamtheit der Abgeordneten laufend mit „Genossen“ ansprach – der Zwischenruf des CDU-Volkskammerabgeordneten Dietmar Czok: „Ich bitte doch endlich dafür zu sorgen: In dieser Kammer sitzen nicht nur Genossen!“ Das tat Mielke (siehe Wikiquote-Zitate) als eine „formale Frage“ ab, worauf sich wiederum lautes Gelächter erhob, in das hinein er, bereits stark verunsichert, den vielzitierten Satz sprach.


Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk schrieb über diese Rede entgegen der herkömmlichen öffentlichen Interpretation: „Der spontane Ausruf, ‚Ich liebe doch alle Menschen …’, richtete sich, was fast immer übersehen wird, allein an die Abgeordneten und war eine Reaktion darauf, ob er sie nun mit ‚Genossen’ anrede oder nicht. Mit seiner Rede wollte er die bis vor Minuten noch verbündeten Abgeordneten darauf hinweisen, dass sein Ministerium in den letzten Monaten und Jahren der SED-Führung in dichter Folge realitätsnahe Analysen über die gesellschaftliche Situation vorgelegt und immer wieder darauf hingewiesen hatte, dass bei einer Beibehaltung der bisherigen Politik das System in existenzielle Nöte gerate. (…) Der eigentliche Skandal an diesem Tag aber war nicht Mielkes Auftritt, sondern wie die meisten der 477 anwesenden engen Gefolgsleute mit ihm umgingen und sich zu ‚Saubermännern’ erklären wollten. Anschließend wurde die Debatte abgebrochen.“[21]


Mielke selbst sah sich als Humanisten:





„Wir sind nicht gefeit, leider, dass auch mal ein Schuft noch unter uns sein kann, wir sind nicht gefeit dagegen, leider. Wenn ich das schon jetzt wüsste, dann würde er ab morgen schon nicht mehr leben. Ganz kurz[er] Prozess. Aber weil ich Humanist bin, deshalb habe ich solche Auffassungen. Lieber Millionen Menschen vor’m Tode retten als wie einen Banditen leben lassen, der also uns dann also die Toten bringt. [… unverständlich …] mal richtig erklären, warum man so hart sein muss, [und] all das Geschwafel, von wegen ‚Nicht hinrichten‘ und ‚Nicht Todesurteil‘, alles Käse is’, Genossen. Hinrichten die Menschen, ohne billige Sätze, ohne Gerichtsbarkeit und so weiter.“




Erich Mielke: Originalton, wiedergegeben in MDR/ARTE: Alltag einer Behörde – Das Ministerium für Staatssicherheit: 1982, Ausschnitt eines Stasi-Tonbandprotokolls, auf einer Konferenz hoher Stasi-Offiziere, mit Bezug auf die Flucht von Werner Stiller


Charakteristisch sind Mielkes Ansichten zum „ungesetzlichen Grenzübertritt“ und Grenzregime:





„Ich will euch überhaupt mal etwas sagen, Genossen, wenn man schon schießt, dann muss man dat so machen, dass nicht der Betreffende da noch bei wegkommt, sondern dann muss er eben dableiben bei uns. Ja, so ist die Sache. Wat is denn das: 70 Schuss loszuballern, und der rennt nach drüben und die machen ’ne Riesenkampagne.“




Erich Mielke: Originalton, wiedergegeben in ZDF: Goodbye DDR, Teil 2 Mielke und die Freiheit



„Leistner ist Mielke“ – Das ungeklärte Verschwinden Willi Kreikemeyers |


Im Zusammenhang mit der Kampagne um den „erfundenen Spion“ Noel Field entstand 1950 eine paradoxe Situation, in der der erklärte Stalin-Bewunderer, „alte Tschekist“ und „Schüler Berijas“ Erich Mielke selbst zum Stalinismus-Opfer hätte werden können.


Noel Field hatte in der Schweiz antifaschistische Emigranten unterstützt. Seine „Enttarnung“ als Spion war der Aufhänger für politische Schauprozesse gegen die suspekten Westemigranten.[22]Willi Kreikemeyer, nun Chef der Deutschen Reichsbahn, war enger Mitarbeiter von Field gewesen. Bei einer Vernehmung durch die Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK) berichtete Kreikemeyer am 5. Juni 1950 von einer Liste mit Decknamen von Zahlungsempfängern Fields, wobei er zum Decknamen Leistner sagte: „Leistner ist Mielke“.


Theoretisch hätte die Richtigkeit dieser Information schwerste Nachteile für Mielke gehabt haben müssen: Wer behauptete, mit der „ruhmreichen Sowjetarmee“ nach Deutschland zurückgekommen zu sein, in Wahrheit aber im westlichen Exil Kontakt zu einem amerikanischen Spion unterhalten hatte, musste ein Verräter sein. Aber nicht Mielke, sondern Kreikemeyer kam am 25. August in die Untersuchungshaft des MfS. Mielke, dem die Protokolle der ZPKK dienstlich bekannt waren, besuchte ihn in seiner Zelle und versprach ihm baldige Freilassung – er müsse nur alles aufschreiben, was er wisse. Dieses bis heute erhaltene schriftliche Geständnis ist das letzte Lebenszeichen Kreikemeyers. Kreikemeyers Frau wurde sieben Jahre später, nach ihrer 37. schriftlichen Anfrage, mitgeteilt, ihr Mann habe sich bereits kurze Zeit nach seiner Verhaftung in seiner Zelle erhängt. Nicht bewiesen und „eher unwahrscheinlich“ ist, dass Mielke Kreikemeyer als den Mann, der ihm gefährlich werden konnte, ermorden ließ.[23]



Das Ministerium für Staatssicherheit |




Das Hauptgebäude der MfS-Zentrale, Berlin-Lichtenberg, Normannenstraße (2005)


Die im Volksmund „Stasi“ genannte Staatssicherheit wuchs unter Mielkes Verantwortung in sämtliche Gesellschaftsbereiche hinein, und selbst im Privaten konnte niemand vor Bespitzelung und Verrat sicher sein. Besonders bekannt wurde der Fall von Vera Lengsfeld (von 1990 bis 2005 MdB), die von ihrem Ehemann bespitzelt wurde. Ein weiteres prominentes Opfer war Robert Havemann, der zeitweise von etwa 100 Stasi-Mitarbeitern überwacht wurde.


1989 beschäftigte das MfS etwa 91.000 hauptamtliche und 173.000 inoffizielle Mitarbeiter (IM).


1976 gab Mielke an die HA I, Abteilung Äußere Abwehr, den Befehl, den Hamburger Michael Gartenschläger festzunehmen bzw. zu töten. Gartenschläger hatte im Jahre 1976 die völkerrechtswidrigen Selbstschussanlagen („Splitterminen SM-70“) von einem Grenzzaun der DDR abgebaut und damit die DDR-Führung international angeprangert. Am 30. April 1976 wurde Michael Gartenschläger von einem Stasi-Sonderkommando erschossen.



Schriften |



  • Sozialismus und Frieden – Sinn unseres Kampfes. Ausgewählte Reden und Aufsätze. Dietz-Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-320-01159-6.


Literatur |



  • Klaus Bästlein: Der Fall Mielke. Die Ermittlungen gegen den Minister für Staatssicherheit der DDR. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2002, ISBN 3-7890-7775-5.


  • Jens Gieseke: Revolverheld und oberster DDR-Tschekist. In: Dieter Krüger, Armin Wagner (Hrsg.): Konspiration als Beruf. Deutsche Geheimdienstchefs im Kalten Krieg. Links, Berlin 2003, ISBN 3-86153-287-5, S. 237–263.

  • Jens Gieseke: Mielke, Erich. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2, Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.


  • Wolfgang Kießling: Leistner ist Mielke. Schatten einer gefälschten Biographie. Aufbau-Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-7466-8036-0.


  • Wilfriede Otto: Erich Mielke. Biographie. Aufstieg und Fall eines Tschekisten. Dietz-Verlag, Berlin 2000, ISBN 978-3-320-01976-1.


  • Heribert Schwan: Erich Mielke – der Mann, der die Stasi war. Droemer Knaur, München 1997, ISBN 3-426-26980-5.



Film |




  • Erich Mielke – Meister der Angst, 2015, Doku-Drama, Regie: Jens Becker und Maarten van der Duin.[24]


  • Die Wahrheit über die Stasi, 1992, Low-Budget-Filmsatire von Alexander Zahn.



Weblinks |



 Commons: Erich Mielke – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien


 Wikiquote: Erich Mielke – Zitate



  • Literatur von und über Erich Mielke im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

  • Irmgard Zündorf, Regina Haunhorst: Erich Mielke. Tabellarischer Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)

  • Wer weinte um den Herrn der Angst? Mielke-Beerdigung im Jahr 2000

  • Chronik der Wende – Biographie


  • Strafverfahren gegen Erich Mielke wegen Heimtückemord am Bülow-Platz in Berlin am 9. August 1931 (BGH-Urteil)


  • Originalton Erich Mielke: „Ich liebe doch alle“ (MP3; 217 kB)


  • Stasi-interne Rede Mielkes vom 28. April 1989 im Originalton beim Archivradio der ARD/SWR

  • Besuch in Mielkes Büro. Aus der Mediathek von n-tv.de

  • Hördokumentation zu den auf Erich Mielkes Befehl 1/67 einzurichtenden geheimen Isolierungslagern in der DDR



Einzelnachweise |




  1. Zu Kindheit und Jugend siehe Otto (Lit.), S. 13–15.


  2. Ludwig Niethammer: Die Karriere eines deutschen Stalinisten


  3. Hierzu Otto, S. 18f.


  4. Hierzu Otto, S. 20–28.


  5. Zu Mielkes Behauptung Otto, S. 93, mit Nachweis; zu den Urteilen S. 44, mit Nachweis. Siehe auch BGH 5 StR 434/94 – Urteil vom 10. März 1995 (LG Berlin).


  6. Ludwig Niethammer: Die Karriere eines deutschen Stalinisten Zum Tode von Erich Mielke, World Socialist Website. 16. August 2000. abgerufen am 12. Februar 2014


  7. Dazu Wilfriede Otto, S. 82, nicht ausgebürgert S. 86, dort auch das Weitere


  8. Die Dokumente, einmal mit dem Klarnamen Erich Mielke in Faksimile bei Wolfgang Kießling: Leistner ist Mielke. Schatten einer gefälschten Biographie. (Lit.), S. 60f. und 63


  9. Otto, S. 89, mit Nachweis


  10. Norbert Pötzl: Das Verhältnis Mielke/Honecker und der „Rote Koffer“. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU).


  11. Regina Haunhorst, Irmgard Zündorf: Biografie Erich Mielke. In: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Deutsches Historisches Museum der Bundesrepublik Deutschland.


  12. Die folgende Darstellung stützt sich auf Otto, S. 486–493 und Bästlein, S. 96f.


  13. Helmut Roewer, Stefan Schäfer, Matthias Uhl: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. Herbig, München 2003, ISBN 3-7766-2317-9, S. 495.


  14. Zum Prozess siehe Bästlein (Lit.), S. 96–98 und Otto, S. 488–497


  15. Bericht in der Bild-Zeitung, Zugriff am 9. Juli 2012


  16. Wilfriede Otto: Erich Mielke – Biographie. Aufstieg und Fall eines Tschekisten. Dietz, Berlin 2000, S. 108.


  17. „Alle wissen nichts“, Der Spiegel 11/1995 vom 13. März 1995.


  18. Erich Mielke - Meister der Angst, Dokudrama von Jens Becker & Maarten van der Duin, 2015, https://www.youtube.com/watch?v=xtpC2Uzj95s, abgerufen am 21. Februar 2019.


  19. https://www.focus.de/politik/deutschland/zeitgeschichte-nur-der-spion-klickt_aid_164537.html, abgerufen am 21. Februar 2019.


  20. Momentaufnahme – Staatsicherheitschef Erich Mielke – 20 Jahre, Deutsche Welle TV, abgerufen: 12. April 2012


  21. Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel: Die Revolution von 1989 in der DDR. Beck, München 2015, S. 481−483.


  22. Zu den Prozessvorbereitungen siehe Hermann Weber: Schauprozeß-Vorbereitungen ibn der DDR. In: Hermann Weber, Ulrich Mählert (Hrsg.): Terror. Stalinistische Parteisäuberungen 1936–1953. Schöningh, Paderborn, München, Wien, Zürich 1998, ISBN 3-506-75335-5, S. 459–485; zum Vorgang allgemein: Wolfgang Kießling: Leistner ist Mielke (Lit.).


  23. Peter Erler: Tod im gewahrsam der Staatssicherheit. In: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat, Nr. 38 (2015), S. 65–87, hier S. 67 f.


  24. Buch zum Film: Birgit Rasch, Gunnar Dedio: Ich. Erich Mielke: Psychogramm des DDR-Geheimdienstchefs. Sutton, Erfurt 2015, ISBN 978-3-95400-555-0.


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