Fleckfieber












Klassifikation nach ICD-10
A75
Fleckfieber

ICD-10 online (WHO-Version 2016)



Epidemic typhus Burundi.jpg


Fleckfieber, auch Kriegspest, Läusefieber, Läusefleckfieber, Lazarettfieber oder Faulfieber, ist eine Infektion mit Mikroorganismen (Bakterien) der Gattung Rickettsien (Rickettsia prowazekii), die durch Läuse, vor allem die Kleiderlaus, Milben, Zecken oder Flöhe übertragen wird. In Deutschland muss nach dem Infektionsschutzgesetz der Nachweis des Fleckfiebererregers mit dem Namen des betroffenen Patienten gemeldet werden.


Die Bezeichnung Fleckfieber ist abgeleitet von einem Symptom der Erkrankung, einem rotfleckigen Hautausschlag.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Verwechslung mit Typhus


  • 2 Verlauf


  • 3 Diagnostik


  • 4 Behandlung


  • 5 Prognose


  • 6 Geschichte


  • 7 Siehe auch


  • 8 Literatur


  • 9 Weblinks


  • 10 Einzelnachweise





Verwechslung mit Typhus |


Früher wurde das Fleckfieber wegen des dabei auftretenden Ausschlags auch als Typhus exanthemicus bezeichnet sowie als Typhus levissimus, Typhus ambulatorius, Hunger- oder Kriegstyphus, da es sich unter schlechten hygienischen Bedingungen in Kriegszeiten mitunter epidemieartig ausbreitete und die Symptome einander ähneln. Das Fleckfieber ist aber nicht mit der (im deutschen Sprachgebrauch) als Typhus bezeichneten Krankheit gleichzusetzen, die durch Salmonellen verursacht wird. Dass es sich beim Fleckfieber um eine eigenständige Erkrankung handelt, erkannte William Jenner in London 1847. Zuvor bezeichnete man als „Typhus“[1] auch das Fleckfieber.
Im internationalen Gebrauch, wie z. B. im Englischen, wird die hier beschriebene Krankheit als typhus[2] oder gelegentlich als typhus fever bezeichnet. Die durch Salmonellen verursachte Krankheit wird international typhoid fever genannt.[3]



Verlauf |


Die Inkubationszeit beträgt 10–14 Tage. Dann kann es zu einem Prodromalstadium mit Schüttelfrost, zunehmend hohem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Bewusstseinstrübung (wenn das Gehirn mit betroffen ist) kommen. Später ist ein blau- bis durch petechiale Einblutungen rotfleckiger Hautausschlag typisch.


Das Fleckfieber begünstigt weitere Infektionen durch andere Bakterien, sogenannte Sekundärinfektionen. Dazu zählen unter anderem:



  • Hirnhautentzündung (Meningitis)

  • Lungenentzündung (Pneumonie)

  • Herzmuskelentzündung (Myokarditis).


Die Krankheit tritt seit den 1950er Jahren vorwiegend in den Subtropen und Tropen auf. Eine eventuelle Zweitinfektion verläuft aufgrund der aktiven Immunisierung mit abgeschwächten Symptomen.



Diagnostik |


Die Diagnose kann klinisch oder serologisch gestellt werden. Das Serum eines Patienten, der Antikörper gegen Rickettsien besitzt, kreuzreagiert mit dem Erreger Proteus OX19 (auch Proteus X-19[4]) und flockt aus (Agglutination, Weil-Felix-Reaktion). Ludwik Fleck entwickelte einen Hauttest zur Diagnose des Fleckfiebers.[5]



Behandlung |


Bei Rickettsieninfektionen sind vor allem Tetracycline oder Chloramphenicol wirksam, Standardbehandlung ist Doxycyclin. Es gibt verschiedene, begrenzt wirksame Fleckfieberimpfstoffe.


Beim Fleckfieber sollte die antibiotische Behandlung so früh wie möglich anfangen, dann zeigt sie gute Heilungschancen. Bereits ein bis zwei Tage nach Therapiebeginn kommt es zum Abfall des Fiebers.



Prognose |


Das Fleckfieber kann unbehandelt in bis zu 40 Prozent der Fälle tödlich enden. Wird es rechtzeitig therapiert, ist die Prognose gut: Normalerweise heilt das Fleckfieber nach einer antibiotischen Behandlung vollständig und folgenlos ab.


Manchmal verbleiben die Fleckfieber-Erreger bis zu 30 Jahre im Körper. Normalerweise lösen sie in dieser Zeit keine neue Erkrankung aus, da sie vom körpereigenen Abwehrsystem in Schach gehalten werden. Kommt es dennoch zum Ausbruch von Symptomen, wird das als Brill-Zinser-Krankheit bezeichnet. Sie verläuft deutlich kürzer und milder als das Fleckfieber.[6]



Geschichte |




Nationalsozialistisches Propagandaplakat aus dem Generalgouvernement, 1942, mit der Aufschrift: „Żydzi – wszy – tyfus plamisty“ (deutsch „Juden – Läuse – Flecktyphus“).


Für Napoleons Armee wurde das Fleckfieber während des Russlandfeldzugs zu einem ernsthaften Problem. Die bittere Winterkälte zwang die Soldaten, ihre Kleidung durchgehend zu tragen, ohne sie wechseln oder säubern zu können. Außerdem nutzten sie Kleidungsstücke Gefallener, um sich notdürftig warm zu halten. Für die mit Rickettsien infizierten Kleiderläuse war es daher ein Leichtes, sich zu vermehren und auszubreiten. Beim Rückzug der im Juni 1812[7] nach Russland gezogenen „Grande Armée“ im Herbst 1813 war Mainz die erste Rast auf französischem Boden. Dort starben 15.000–17.000 Mann der französischen Besatzung und ebenso viele Zivilisten. Die Krankheit, welche damals wegen der dabei auftretenden neurologischen Symptome auch als „Nervenfieber“[8][9] bezeichnet wurde, blieb als Typhus de Mayence (nach dem französischen Namen für Mainz) in der französischen Sprache erhalten.[10] Im fränkischen Raum um das Großherzogtum Würzburg waren bis Ende Oktober 1814 14.000 Krankheitsfälle von Fleckfieber zu verzeichnen, wovon 2.500 einen tödlichen Verlauf genommen hatten.[11] Eine weitere Epidemie mit etwa zweieinhalb Millionen Todesopfern ereignete sich in Folge von Krieg und Bürgerkrieg[12] zwischen 1918 und 1922 in Russland.[13]


Dass Läusebisse die Erkrankung verursachen, erkannte Osip Osipovič Močutkovsij (1845–1903), der Leiter der Infektionsabteilung am Städtischen Krankenhaus von Odessa.[14] Die Erstbeschreibung des Erregers erfolgte 1916 durch den am Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg tätigen brasilianischen Mikrobiologen Henrique da Rocha Lima (1879–1956).[15] Das Fleckfieber wurde unter anderem vom Georg-Speyer-Haus in Frankfurt am Main wissenschaftlich erforscht.[16]


Zur Untersuchung von möglichen Impfstoffen wurden von nationalsozialistischen Ärzten, vor allem Erwin-Oskar Ding-Schuler, Menschenversuche an Gefangenen im Konzentrationslager Buchenwald durchgeführt.[17] An der künstlich herbeigeführten Infektion starben dort mehrere hundert Menschen.[18] Auch im Konzentrationslager Natzweiler-Struthof, im Sicherungslager Schirmeck-Vorbruck und im Konzentrationslager Bergen-Belsen wurden derartige Versuche vorgenommen.[19]


Von den Nationalsozialisten wurde das Fleckfieber unter der Bezeichnung Flecktyphus aus rassistischen Propagandagründen im Generalgouvernement in den besetzten polnischen Gebieten verwendet. Juden wurden als Läuse bezeichnet, die die Krankheit übertragen, der „jüdische Parasit“ war ein antisemitisches Stereotyp. Wer einen Juden versteckt hielt oder Juden, die das Ghetto verließen, mussten mit der Todesstrafe rechnen. Die Ansteckungsgefahr wurde als Rechtfertigung dafür verwendet.[20]


Der spätere Forschungs-Chef des Pharma-Unternehmens Grünenthal, Heinrich Mückter, war Stabsarzt und stellvertretender Direktor des Instituts für Fleckfieber- und Virusforschung des Oberkommandos des Heeres in Krakau (zugleich Verwaltungshauptstadt von Auschwitz) und hat unter anderem für die Produktion des Weigl-Impfstoffs gegen Fleckfieber einige KZ-Insassen als Wirte für die Erregerläuse missbraucht. Nach Kriegsende entzog er sich dem ausgestellten Haftbefehl durch Flucht in den Westen.



Siehe auch |


  • Hospitalfieber


Literatur |


  • Olga Brecht: Fleckfieberforschung im Ersten Weltkrieg im Spiegel der Deutschen und der Münchener medizinischen Wochenschrift, Dissertation Institut für Geschichte der Medizin Universität Heidelberg, Betreuer Wolfgang U. Eckart, UB Heidelberg 2008, Inhaltsverzeichnis Diss. Olga Brecht


Weblinks |



 Wiktionary: Fleckfieber – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen



  • Fleckfieber – Informationen des Robert Koch-Instituts

  • H. Eyer: Rudolf Weigl und die ätiologische Fleckfieberbekämpfung.

  • Thomas Werther: Fleckfieberforschung im Deutschen Reich 1914–1945. Dissertation. Wiesbaden 2004 (PDF-Datei; 1,09 MB)

  • Gerhard Dobler, Roman Wölfel: Fleckfieber und andere Rickettsiosen: Alte und neu auftretende Infektionen in Deutschland. In: Dtsch Arztebl Int. Nr. 106(20), 2009, S. 348–354 (Artikel). 



Einzelnachweise |




  1. Joh. Claudius Renard: Ein Beitrag zur Geschichte von dem ansteckenden Typhus der Jahre 1813 und 1814. In: Hufelands Journal 6, 1815, S. 3–46.


  2. Typhus: MedlinePlus Medical Encyclopedia. Abgerufen am 12. September 2011. 


  3. Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, Englische version


  4. Ludwik Fleck: Versuche über eine lokale Hautreaktion mit Proteus X-19 Extrakten (Die Exanthinreaktion). In: Zeitschrift für Immunitätsforschung und experimentelle Therapie. Band 72, 1931, S. 282–300.


  5. Ludwik Fleck, I. Hescheles: Über eine Fleckfieber-Hautreaktion (die Exanthinreaktion) und ihre Ähnlichkeit mit dem Dicktest. In: Klinische Wochenschrift. Band 10, 1931, S. 1075 f.


  6. Gerhard Dobler, Roman Wölfel: Typhus and Other Rickettsioses. In: Deutsches Aerzteblatt Online. 2009, doi:10.3238/arztebl.2009.0348.


  7. Manfred Vasold: Die Fleckfieberepidemie von 1813/14 im mainfränkischen Raum. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 23, 2004, S. 217–232, hier: 217.


  8. Manfred Vasold (2004), S. 218–224.


  9. Wilhelm Christoph Hufeland: Erster Bericht über das epidemische und ansteckende Nervenfieber und dessen Behandlung im Kg. Charitékrankenhaus zu Berlin. In: Hufelands Journal 1, 1813, S. 1–40.


  10. Alfred Hartmann: Fleckfieberepidemie in Mainz und Umgebung in den Jahren 1813/14, genannt "Typhus de Mayence". Dissertation. Hygiene Institut der Stadt und Universität Frankfurt, Frankfurt am Main 1949.


  11. Anton Chroust: Geschichte des Großherzogtums Würzburg (1806–1814). Die äußere Politik des Großherzogtums Würzburg. Würzburg 1932, S. 442.


  12. Manfred Vasold (2004), S. 230.


  13. P. Mühlens: Die russische Hunger- und Seuchenkatastrophe in den Jahren 1921–22. In: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. 99, 1923, S. 1–45.


  14. J. Stahnke: Ludwik Teichmann (1823–1895). Anatom in Krakau. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 2, 1984, S. 205–267, hier: S. 216.


  15. Horst Kremling: Historische Betrachtungen zur präventiven Heilkunde. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 24, 2005, S. 222–260, hier S. 231.


  16. R. Otto: Zur Bakteriologie des Fleckfiebers. In: Wilhelm Kolle zum 60. Geburtstage. Arbeiten aus dem Staatsinstitut für experimentelle Therapie und dem Georg Speyer Hause zu Frankfurt a. M., begründet von Paul Ehrlich. Heft 21, Jena 1928, S. 123–132.


  17. www.gesch.med.uni-erlangen.de@1@2Vorlage:Toter Link/www.gesch.med.uni-erlangen.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) i Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. - Informationsmaterial der Universität Erlangen zu Fleckfieberversuchen im Konzentrationslager Buchenwald


  18. Eugen Kogon: Der SS-Staat. 25. Auflage. Heyne, München 1993, ISBN 3-453-02978-X, S. 192 und passim.


  19. Der Nürnberger Prozess, Einhundertneunundneunzigster Prozesstag, Vormittagssitzung, Freitag 9. August 1946. Band 20, S. 596f.


  20. Młynarczyk, Jacek Andrzej, 1968-: Cena poświęcenia : zbrodnie na Polakach za pomoc udzielaną Żydom w rejonie Ciepielowa, Piątkowski, Sebastian., Instytut Studiów Stategicznych, Kraków 2007, ISBN 978-83-8783262-9, OCLC 313476409.






Gesundheitshinweis
Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!








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