Weiche (Bahn)






Schematische Darstellung einer Weiche




Ein Zug überfährt mehrere Weichen, um auf ein anderes Gleis zu gelangen




Einfache Weichen und Kreuzungsweichen im Frankfurter Hauptbahnhof


Eine Weiche, veraltet auch Wechsel oder – in Abgrenzung zur Luftweiche – manchmal Gleisweiche genannt, ist eine Gleiskonstruktion einer Bahn, die Schienenfahrzeugen den Übergang von einem Gleis auf ein anderes ohne Halt ermöglicht. Im Gegensatz zu Schiebebühnen oder Drehscheiben ist dabei keine Fahrtunterbrechung erforderlich.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Geschichte


  • 2 Steuerung von Weichen


    • 2.1 Ortsgestellt


    • 2.2 Ferngestellt




  • 3 Bestandteile einer Weiche


    • 3.1 Zungenvorrichtung


    • 3.2 Herzstück


    • 3.3 Radlenker


    • 3.4 Weichenschwellen


    • 3.5 Weichenstellvorrichtung und Weichensignal


    • 3.6 Weichenverschluss


    • 3.7 Umlaufzeiten


    • 3.8 Zusatzeinrichtungen




  • 4 Bau von Weichen


  • 5 Spezielle Bauformen


    • 5.1 Einfache Weichen


      • 5.1.1 Normung in Deutschland


      • 5.1.2 „Y-Weiche“




    • 5.2 Kreuzungsweichen


    • 5.3 Weiche mit beweglichem Herzstück


      • 5.3.1 Schnellfahrweichen


      • 5.3.2 Klothoidenweichen




    • 5.4 Herzstücke mit Flachrille


    • 5.5 Rückfallweiche


    • 5.6 Sandweiche


    • 5.7 Schleppweiche


    • 5.8 Zungenlose Weiche


      • 5.8.1 Allgemeines


      • 5.8.2 Zungen- und herzstücklose Anbindung (ZHA)




    • 5.9 Kletterweiche


    • 5.10 Weiche im Mehrschienengleis


    • 5.11 Zahnradbahn-Weiche


    • 5.12 Gleiswender


    • 5.13 Bogendrehscheibe


    • 5.14 Abtsche Weiche bei Standseilbahnen


    • 5.15 Straßenbahnweichen


      • 5.15.1 Einfache Weiche


      • 5.15.2 Einzungenweiche


      • 5.15.3 Vorgezogene Zungenvorrichtung


      • 5.15.4 Vorsortierweiche






  • 6 Weichen mit besonderen Aufgaben


    • 6.1 Schutzweiche


    • 6.2 Auffangweiche




  • 7 Stellvorrichtungen


    • 7.1 Zungenüberwachung


    • 7.2 Steuerung bei Straßenbahnen




  • 8 Befahrungsweisen


  • 9 Weichenrekorde


  • 10 Literatur


  • 11 Weblinks


  • 12 Einzelnachweise





Geschichte |




Weiche mit gusseisernen Schienen, angefertigt von Trevithick um 1803


Die Entwicklung der Weichen begann im Kohlebergbau. Bei den ersten gusseisernen Winkelschienenweichen von John Curr aus dem Jahr 1776 mussten Menschen oder Tiere den Hunt in die gewünschte Richtung ziehen. Im Jahre 1797 beschreibt John Curr erstmals eine Konstruktion mit einer verstellbaren Zunge.[1] Für 1832 wird erstmals ein Patent für eine Eisenbahnweiche von Charles Fox (1810–1874 in England) erwähnt. Die im Bild rechts zu sehende Bauart von Richard Trevithick ist zwar noch für spurkranzlose Laufräder bestimmt, nimmt aber schon alle späteren Elemente einer Zungenweiche vorweg.


Vor der Verwendung im Eisenbahnwesen bezeichnete der deutsche Begriff Weiche eine Ausweichstelle in der Flussschifffahrt.[2]


Für verschiedene Situationen und Anwendungszwecke haben sich unterschiedliche Bauformen herausgebildet. Die heute am häufigsten verwendete Bauform, die Zungenweiche, soll in Deutschland erstmals bei der Hannoverschen Staatsbahn 1852 die Schleppweiche abgelöst haben.


Jede Bahnverwaltung verwendete zunächst eigene Weichenkonstruktionen. Auch nach der Bildung der Länderbahnverwaltungen in Deutschland blieb es dabei. Nach der Gründung der Deutschen Reichsbahn im Jahr 1920 bestand dringender Handlungsbedarf zur Verringerung der Menge an unterschiedlichen und nicht gegeneinander austauschbaren Teilen. Außerdem sollten die geometrischen Eigenschaften der Weichen vereinheitlicht werden, um aufwändige Anpassungsarbeiten zu vermeiden. Nachdem 1922 das seinerzeit neue Schienenprofil S 49 eingeführt worden war, sollte es auch für die Weichen der Einheitsbauart verwendet werden. 1931 wurden die Reichsbahnweichen als Regelbauarten mit weitgehend gleichen Merkmalen eingeführt. Vereinheitlicht wurden auch die Anschlussmaße für Weichenverschlüsse, Stellvorrichtungen und Zusatzeinrichtungen. In der Folgezeit wurden diese Bauarten verbessert; so entfielen bei Neubauten Hakenspitzenverschlüsse und Gelenkzungen.


Bis in die 1980er Jahre hinein waren Weichen in Deutschland typischerweise mit 40 bis 100 km/h im abzweigenden Strang befahrbar. Mit der Erhöhung der Streckengeschwindigkeit auf den (ab 1973 gebauten und ab 1987 in Betrieb genommenen) deutschen Eisenbahn-Neubaustrecken gewannen die Geschwindigkeitsreduzierungen im abzweigenden Strang von Weichen zunehmend an Bedeutung. Bereits in den 1960er Jahren wurde für den Neubau des Bahnhofs Ludwigshafen ein mit 130 km/h im Abzweig befahrbarer Weichentyp (EW 60-2500-1:26,5-fb) entwickelt, der dann auch in den Abzweigstellen und Überleitstellen der Neubaustrecken eingebaut wurde.[3] Für Abzweigstellen wurden darüber hinaus ab 1984 in Deutschland Schnellfahrweichen entwickelt, die mit 160 bzw. 200 km/h im Abzweig befahren werden konnten. Sie kommen heute an einer Reihe von Verknüpfungspunkten der Schnellfahrstrecken zum Einsatz.[4] Die 200-km/h-Weichen galten zu ihrer Einführung, Ende der 1980er Jahre, als die längsten im Rahmen der Fertigungstechnik noch produzierbaren Einheiten.[3]


2015 waren auf dem Schienennetz der Deutschen Bahn 71.441 Weichen in Betrieb, davon 720 Hochgeschwindigkeitsweichen. 48.000 Weichen verfügten über eine Weichenheizung und 8500 über eine Verschlussabdeckung.[5] Ende 2015 plante das Unternehmen, bis 2018 weitere 26.000 Weichen mit Systemen zur Verfügbarkeitsprognose von Weichen auszurüsten, bis 2020 sollen alle „wesentlichen“ Weichen (30.000) damit ausgerüstet sein. Damit soll die Zahl der Störungen um bis zu 50 Prozent verringert werden.[6] Bis Ende 2016 sollten die ersten 5000 Weichen ausgerüstet werden.[7] Die Deutsche Bahn gibt für Weichenbauteile jährlich 30 Millionen Euro aus.[8]



Steuerung von Weichen |




Eine Weiche ohne Grundstellung mit Handstellgewicht und Weichensignal




Handstelleinrichtung Schweizer Bauart mit Weichenhebel Bauform Bruchsal G, Bahnhof Cadenazzo


Man unterscheidet zunächst ortsgestellte und ferngestellte Weichen.



Ortsgestellt |


Ortsgestellte Weichen sind häufig mechanisch ortsgestellte Weichen, auch „Handweichen“ genannt und in Deutschland mit MOW abgekürzt, bei denen die Umstellung durch die Muskelkraft des Bedieners auf den Umstellhebel wirkt und über die Bockstange auf die Zungenverbindungsstange, die Zungenvorrichtung und ggf. den Weichenverschluss übertragen wird. Das Gewicht oder eine Verriegelung des Umstellhebels hält die Weiche in der jeweiligen Endlage fest.


In der Schweiz gibt es bei Handweichen, die im intensiven Rangierbetrieb genutzt werden, eine abweichende Bauart: An Stelle des üblichen Handgewichtes gibt es einen Bock, auf dem ein in mechanischen Stellwerken verwendeter Gestängeweichenhebel steht. Er ist über Winkelhebel mit der Schieberstange verbunden. Vorteilhaft ist, dass sich ein Bediener nicht tief bücken und ein schweres Handgewicht heben muss. In Großbritannien und Ländern mit vergleichbarer Eisenbahnsicherungstechnik ist es die Regel, dass nicht von Stellwerken aus gestellte Weichen über in der Nähe aufgestellte Weichenhebel auf so genannten „ground frames“ bedient werden.


Mittlerweile gibt es auch immer mehr elektrisch ortsgestellte Weichen (EOW).



Ferngestellt |


Ferngestellte Weichen werden in der Regel von einem Stellwerk bedient und durch Eisenbahnsignale signaltechnisch gesichert. Sie sind passive Fahrwegelemente, die durch von außen wirkende Kräfte umgestellt werden, und deren richtige Lage vom Stellwerk überwacht wird. Zur Überwachung der Gleisbelegung durch Fahrzeuge werden in modernen Stellwerken Gleisfreimeldeanlagen eingesetzt; wo diese nicht vorhanden sind, muss das Freisein durch Hinsehen festgestellt werden, da besetzte Weichen nicht umgestellt werden dürfen.



Bestandteile einer Weiche |


Eine Weiche ist aus speziellen Schienenteilen zusammengesetzt. Die Weiche wird im Folgenden von der Spitze betrachtet, also vor der Aufspaltung der Schienen. Es wird die im Bild gezeigte Weiche mit dem Abzweig nach rechts beschrieben.



Zungenvorrichtung |


Zungen und Backenschienen bilden die Zungenvorrichtung, eine Backenschiene und die zugehörige Zunge wird halbe Zungenvorrichtung genannt. Beide Teile gehören zusammen und müssen gleichzeitig gewechselt werden.


Die Schienen, an denen die Weichenzungen anliegen, nennt man Backenschienen (in der Schweiz Stockschiene). Die Backenschienen sind auf der Innenseite des Schienenkopfes bearbeitet, damit die Zungen sauber anliegen und speziell an der Spitze nicht zu dünn und damit empfindlich werden. Für eine sichere Führung und möglichst ruckarme Ablenkung der Fahrzeuge greift die Zungenspitze der anliegenden Zunge unter die Fahrkante der Backenschiene.


Die Weichenzungen sind die verstellbaren Teile der Weiche, die die Fahrrichtung bestimmen. In vielen Ländern, darunter im deutschsprachigen Raum, werden die Weichenzungen aus besonderen asymmetrischen und in der Höhe verringerten Zungenschienenprofilen hergestellt. Die Zunge wird in diesem Fall für die richtige Höhenlage mit Gleitstuhlplatten geführt und unterstützt. Bei in Frankreich entwickelten Weichen verwendete man Regelschienen mit voller Höhe als Ausgangsmaterial für die Zungen, weshalb die Backenschienen auch im Fußbereich bearbeitet werden müssen.


Für die Gestaltung des Zungendrehpunktes gibt es mehrere Möglichkeiten:



Gelenkzungen

(Gz) sind die älteste Form. Diese lassen sich verhältnismäßig kurz halten, allerdings ist das Zungengelenk aufwändig und trotzdem verschleißanfällig. Vorteile der Gelenkzungen sind ihre Spannungslosigkeit und der geringe Umstellwiderstand. Im Bereich der Straßenbahnen wird diese Weichenform auch heute (2016) häufig unter dem Begriff „Drehstuhlweiche“ geführt, d. h., das Gelenk wurde als „Drehstuhl“ betrachtet. Eine solche Bezeichnung gab es auch eisenbahnseitig,[9] sie ist dort aus dem fachlichen Sprachgebrauch verschwunden.

Federzungen

(Fz) vermeiden das Gelenk, die Federstelle liegt im Zungenprofil und wird durch eine Zungenplatte über mehrere Schwellen unterstützt. Diese Zungenplatte erschwert jedoch das Biegen der Weiche zur Bogenweiche. Das Ende der Zunge wird im Gesenk zur Regelschiene umgeschmiedet, der Anschluss an die Zwischenschiene erfolgt durch einen Regelstoß, der auch verschweißt werden kann.

Federschienenzungen

(Fsch) kommen ohne Zungenplatte aus. Die Zungenschiene wird ebenfalls an ihrem Ende zur Regelschiene umgeschmiedet und mit einem weiteren Regelschienenprofil stumpf zusammengeschweißt. Zur Sicherung gegen Brüche wird diese Schweißstelle mit Sicherheitslaschen verstärkt. Die Federstelle liegt im Regelschienenprofil, bei Weichen mit einem Bogenradius von 190 Metern und darunter (in der Vergangenheit auch bei Radien von 300 und 500 Metern) wird an dieser der Schienenfuß beidseitig bis etwa auf Kopfbreite abgefräst, um die Vorspannung zu verringern. Gemeinsamer Vorteil von Feder- und Federschienenzungen ist die Fahrkante ohne Unterbrechung durch das Gelenk. Ihre Nachteile sind die Vorspannung, die deswegen notwendige deutlich größere Länge und der höhere Kraftaufwand beim Umstellen. Federschienenzungen sind die Regelbauart bei den 1931 eingeführten und von Anfang an genormten Reichsbahnweichen und ihren Nachfolgern.

Federzungen ohne Zungenplatte

(ebenfalls Fz) sind die jüngste Entwicklung. Die Federstelle liegt wieder im Zungenprofil, eine Zungenplatte oder eine Schweißstelle in beweglichen Teilen gibt es nicht, Behinderungen beim Biegen und bei Stopfarbeiten treten nicht auf. Federzungen ohne Zungenplatten werden bei Weichen aus den Schienenprofilen S54 und UIC60, seit 2008 auch S49, verwendet.


Bei der Fahrtrichtung geradeaus liegt die rechte Zunge an der rechten, nach rechts abzweigenden Backenschiene an. Die Zunge ist gerade. Die linke Zunge hat einen Abstand (genannt Zungenaufschlag) zur linken Backenschiene, welche geradeaus führt. Die rechte Zunge führt ein Fahrzeug in dieser Stellung gemeinsam mit der linken Backenschiene geradeaus.


Wenn die Fahrtrichtung nach rechts gewünscht ist, so liegt die linke Zunge an der linken Backenschiene an wie im Bild gezeigt wird. Die linke Zunge weist eine Krümmung nach rechts auf. Die rechte Zunge wird von der rechten Backenschiene entfernt. Ein Fahrzeug wird durch die linke Zunge und die rechte Schiene nach rechts geführt.


Durch Bewegen der Weichenzungen kann die Weiche umgestellt werden. Der bewegliche Teil der Weichenzungen liegt auf Gleitstuhlplatten auf. Wegen des hohen Wartungsaufwandes und weil der Schmierstoffeintrag in die Bettung Umweltprobleme verursacht und die Lagesicherheit der Weiche beeinträchtigt, werden heute vermehrt wartungsarme Zungenrollvorrichtungen unterschiedlicher Bauart oder Kunststoffplatten aus hochgleitfähigem Material eingebaut.


Bei dem Begriff FAKOP[10] handelt es sich um eine Fahrkantenoptimierung an der Zungenvorrichtung.


Bei dem Begriff WITEC[11] handelt es sich um wirtschaftlich-technisch optimierte Zungenvorrichtung. WITEC-Zungenvorrichtungen sind Zungenvorrichtungen, die in die Backenschiene eingelassen werden um den Querschnitt der Zunge zu erhöhen und damit die Liegedauer zu verlängern.



Herzstück |




Herzstück mit Flügelschienen


Das Herzstück ist ein Element im Weichenbau und zusammenfassende Bezeichnung für die Herzstückspitze und die beiden Flügelschienen. An einer Weiche werden zwei Gleise vereinigt oder getrennt. Die innenliegenden Stränge der Gleise schneiden sich und müssen unterbrochen werden, damit der Spurkranz eines Rades, das die andere Schiene befährt, unbeeinträchtigt durchlaufen kann. Diese Stelle heißt Herzstück. Die Flügelschienen sind an den Enden, dem sogenannten Knie, abgeknickt. Die Spitze des Herzstückkeils ist abgerundet. Daher fällt diese nicht mit dem Schnittpunkt der Fahrkanten zusammen. Bei geraden Herzstücken verlaufen die Fahrkanten des Herzstücks in der Regel gradlinig. Den Winkel, den sie zueinander bilden, nennt man Neigung.[12] Schließt sich am Zweiggleis ein Gleisbogen in gleicher Richtung an, dann ist die Unterbrechung dieses Bogens im Herzstückbereich für Laufruhe und Verschleiß nachteilig. In diesem Fall führt man den Bogen deshalb auch im Herzstückbereich unter Verwendung eines Bogenherzstückes durch. Die Endneigung ist in diesem Fall größer als bei einer Weiche mit gleichem Radius und geradem Herzstück.


Da es beim Befahren des Herzstücks eine Lücke in der Fahrfläche und führungslose Stelle gibt, wird das Rad durch die Radlenker geführt. Die Unterbrechung in der Fahrfläche führt immer zu Stößen. Um diesen Stößen entgegenzuwirken, werden schlanke Weichen auf Schnellfahrstrecken mit beweglichen Herzstückspitzen oder Flügelschienen ausgerüstet. Bei einer Kreuzung gibt es dementsprechend vier Herzstücke (wobei jene in den Kreuzungspunkten der äußeren Schienen zwei gegenüberliegende Spitzen haben und deshalb Doppelherzstücke heißen).


Am Herzstück treten die höchsten Verschleißerscheinungen auf. Zukünftig werden daher hochbelastete Weichen mit Herzstücken aus Bainit, einem speziellen Gefüge des Stahls, ausgerüstet. Diese zeichnen sich durch eine doppelt so lange Lebensdauer aus und reduzieren daher die Instandhaltungskosten.[13]



Radlenker |




Links das Herzstück, mit Zwischen- und Flügelschienen, rechts ein regulierbarer Radlenker


Da das Rad im Bereich des Herzstücks über eine Lücke in der Schiene rollt (außer bei beweglichen Herzstücken) und damit keine Seitenführung mehr hat, muss der Radsatz besonders geführt werden. Dies geschieht durch die an der jeweils gegenüberliegenden Schiene angebrachten Radlenker. Die Lauffläche des Rades liegt während des Überfahrens dieser Lücke üblicherweise durchgehend auf Herzstückspitze und/oder Flügelschiene auf. Manchmal kann dies jedoch aufgrund der Weichen- bzw. Kreuzungsgeometrie nicht (ausreichend) sichergestellt werden, wodurch spezielle Konstruktionen nötig sind.


Radlenker existieren in unterschiedlichen Ausführungen. Die ältere Bauart sind Verbundradlenker. Bei ihnen sind Fahrschiene und Radlenkerblatt durch Schrauben verbunden, die Rillenweite wird durch Futterstücke gewährleistet. Bei neueren Weichenbauarten werden separat an besonderen Rippenplatten oder Stützböcken befestigte Radlenker verwendet. Sie bieten den Vorteil, mittels Beilagen zum Verschleißausgleich regulierbar und einzeln austauschbar zu sein.



Weichenschwellen |


Weichen liegen auf besonderen Weichenschwellen. Diese unterscheiden sich in der Länge, der Art und Anordnung der Schienenbefestigungsmittel sowie im Querschnitt. Sie können aus Holz, Kunstholz, Stahl oder Stahl(Spann-)beton bestehen. Mit Ausnahme der Schwellen am Weichenanfang und -ende ist jede Schwelle bei einfachen Weichen unterschiedlich und deshalb unverwechselbar gekennzeichnet.


Bei den heutigen Neubauten auf dem Gebiet der Deutschen Bahn werden vorrangig Betonweichenschwellen eingebaut. Diese zeichnen sich durch ein wesentlich höheres Eigengewicht mit einer höheren Lagestabilität aus. Allerdings werden Betonschwellen bei Entgleisungen meist erheblich beschädigt und müssen danach gewechselt werden. Bei Stahlschwellen führen Verbiegungen durch Entgleisungen zu Spurverengungen. Daher werden im Bahnhofsbereich und vor allem auf Gleisen mit lebhaftem Rangierbetrieb oft die in dieser Hinsicht robusteren Holzschwellen bevorzugt. Stahlschwellen ermöglichen mit ihrer kleineren Bauhöhe den Einbau von Gleisen und Weichen auch in Bereichen mit begrenzter Bettungsstärke, beispielsweise auf Brücken. Die Wahl von Beton- oder Stahlschwellen hing in der Vergangenheit auch von Rohstoffverfügbarkeit und -preisen ab.


Die Deutsche Bundesbahn bettete Weichen erstmals im Sommer 1981 auf Betonschwellen. Nach guten Erfahrungen wurden bereits alle Weichen auf den in den 1980er Jahren gebauten Neubaustrecken auf Betonschwellen gelegt.[14]



Weichenstellvorrichtung und Weichensignal |




Innenansicht eines Weichenantriebs L826H der Firma Thales




Handverschluss 73 mit Sperrvorrichtung (HV 73 Sp) im Bahnhof Guntersblum mit seinen Bauteilen




Weichenantrieb im Bahnhof Dortmund-Kurl


An der Spitze der Weiche ist die Stellvorrichtung (Weichenantrieb oder Handstellvorrichtung bei ortsgestellten Weichen) angebracht, mit der die Weichenzungen bewegt und in der Endlage festgehalten werden. Dabei werden die Weichenzungen durch den Weichenverschluss fixiert. Bei langen Weichen und insbesondere Hochgeschwindigkeitsweichen sind zusätzliche, über die Länge der Weiche verteilte Stellvorrichtungen mit Verschlüssen erforderlich.


Elektrische Weichenantriebe sind mit einer Rutschkupplung ausgerüstet. Sie verhindert, dass Schäden entstehen, wenn der Umstellwiderstand zu groß wird oder wenn die Bewegung durch Fremdkörper zwischen Zunge und Backenschiene behindert wird. Bei Gleisbild- und elektronischen Stellwerken wird der Antrieb in diesem Fall durch eine Verzögerungseinrichtung abgeschaltet, was eine Störungsmeldung auslöst. Bei elektromechanischen Stellwerken muss der Bediener den Stellstrommesser beobachten und die Weiche bei Nichterreichen der Endlage manuell zurückstellen. Deswegen klingelt bei diesen Stellwerken während der Umstellung ein Wecker. Unterlässt der Bediener das Zurückstellen, dann schmilzt die Stellstromsicherung ab. Die Wirksamkeit der Rutschkupplung wird regelmäßig geprüft, indem während des Umstellvorganges ein Hammer zwischen Zunge und Backenschiene gehalten wird.


Stellvorrichtungen sind oft mit einem Weichensignal ausgerüstet, das die Lage der Weiche von weitem anzeigt. Ein Weichensignal ist bei ortsbedienten Weichen erforderlich, bei fernbedienten nur, wenn Rangierfahrten ohne gesicherte Rangierfahrstraßen verkehren. In der Regel ist das bei mechanischen und elektromechanischen Stellwerken sowie bei vereinfachten Gleisbildstellwerken der Fall. Weichensignale (mit Ausnahme von doppelten Kreuzungsweichen) werden im Regelfall auf Handstellvorrichtungen aufgesetzt. Bei fernbedienten Weichen entfällt das Handgewicht und der dazugehörige Hebel. Die besonderen Weichensignale für doppelte Kreuzungsweichen (genannt Windmühle) werden neben der Weichenmitte aufgestellt und über Gestänge mit beiden Weichenverschlüssen verbunden.


Müssen ortsbediente Weichen gegen unbeabsichtigtes Umstellen gesichert werden oder liegen sie in Fahrstraßen und sind deshalb in die Signalabhängigkeit einbezogen, werden sie mit einem Riegelhandschloss oder Weichenriegel ausgerüstet.



Weichenverschluss |


Der Weichenverschluss ist zwischen der Stellvorrichtung und jeder der beiden Weichenzungen eingebaut. Er dient einerseits dazu, die anliegende Zunge an der Backenschiene festzuhalten, um zu verhindern, dass sie durch Spannungen in der Weichenzunge oder von außen einwirkende Kräfte (z. B. durch Schläge der Spurkränze) bewegt wird, und andererseits dazu, die abliegende Zunge im ausreichenden Abstand zur anderen Backenschiene zu halten. Zusätzlich gleicht der Weichenverschluss Unterschiede des Stellweges aus, die insbesondere bei mechanischen Antrieben durch die Reibung in der Leitung auftreten können.


Die Verschlüsse sind über Gestänge mit dem Antrieb verbunden. In Deutschland, den Nachfolgeländern der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie und in der Schweiz sind bis in die jüngste Zeit praktisch nur an den Backenschienen und Zungen angeordnete Verschlüsse, zur Unterscheidung Außenverschlüsse genannt (wobei dieser Begriff im Bahnbetrieb und der Unterhaltung unüblich ist) angewendet worden, deren Konstruktionsteile direkt an Backenschiene und Zunge oder zwischen den Backenschienen angebracht sind. Folgende Arten von Außenverschlüssen waren oder sind im Einsatz:



  • Der Pedalverschluss war schon vor 1900 nicht mehr zeitgemäß, die letzten Exemplare sind um 1980 aus untergeordneten Nebengleisen verschwunden.

  • Der Hakenverschluss war der Regelverschluss bei den preußischen, aber auch bei bayerischen und österreichischen Bahnen. Obwohl er dort seit etwa 1930 nicht mehr neu eingebaut wurde, war er im ganzen 20. Jahrhundert in Hauptgleisen zu finden und hat in größeren Stückzahlen bis heute in Nebengleisen überlebt. In anderen Ländern wie Tschechien und der Slowakei ist er noch weit verbreitet. Hakenverschlüsse sind empfindlich gegen temperaturbedingte Längenänderungen der Zungen.

  • Der Klammerverschluss war jahrzehntelang die Regelbauart in Deutschland und Österreich. Er ist gegenüber temperaturbedingen Längenänderungen etwas toleranter, doch dafür anfälliger für Vereisen. Weil das Ausgleichsvermögen für temperaturbedingte Lageänderungen trotzdem auf wenige Millimeter begrenzt ist, wurden auf seiner Basis selbstregulierende Verschlüsse wie gleitende Verschlüsse der Bauart Peddinghaus oder bahngesteuerte Verschlussklammern BKl 60 und 61 eingeführt.

  • Die grundlegende Ablösung der Klammerverschlüsse erfolgt durch Klinkenverschlüsse in mehreren Bauformen. Das Prinzip ist ein um 90° gedrehter Klammerverschluss, bei dem die Klammern (hier »Verschlussklinken« genannt) auf der Oberseite der Schieberstange laufen. Der Ausgleich der temperaturbedingten Längenänderungen erfolgt durch breitere Verschlussstücke, der Zungenschluss ist durch Exzenter ohne spanende Bearbeitung einstellbar.

  • Für Hochgeschwindigkeitsweichen werden komplexere Verschlüsse wie der HRS-Verschluss eingesetzt, die die Zunge auch in ihrer Höhenlage zuverlässig festlegen.


  • Gelenkverschlüsse (Verschlüsse mit innerer Abstützung oder innenliegende Verschlüsse) wie der Jüdelverschluss waren in der Schweiz bis in die jüngste Vergangenheit der Regelverschluss; in Süden Deutschlands waren sie zur Länderbahnzeit verbreitet.


In anderen Ländern, wie etwa England, werden wegen der bei entsprechender Unterhaltung hubverlustarmen Übertragung der Stellkraft durch Gestängeleitungen bei mechanisch gestellten Weichen in der Regel gar keine Weichenverschlüsse verwendet. Bei elektrisch gestellten Weichen werden dort praktisch ausschließlich Innenverschlüsse verwendet, bei denen das Anliegen der Zungen an den Backenschienen innerhalb des Weichenantriebs sichergestellt wird. Der Weichenantrieb muss dazu sehr formstabil mit den Backenschienen verbunden sein. Seit wenigen Jahren werden solche Verschlüsse auch in Österreich und der Schweiz eingesetzt. Der Einsatz in Deutschland war wenig erfolgreich, insbesondere wegen der aufwändigen Einzelsicherung der Zungen im Störungsfall.


Weichen mit kleinen Bogenradien und entsprechend kurzen Zungen erhalten nur den Verschluss an der Weichenspitze. Weichen mit größeren Radien (in Deutschland ab 500 Meter, teilweise ab 300 Meter Radius) erhalten einen oder mehrere weitere Verschlüsse (Mittelverschlüsse), um die Lage der langen und damit elastischen Zungen auf ihrer gesamten Länge sowohl an- als auch abliegend zu garantieren und um gleichzeitig die Durchfahrrille zwischen abliegender Zunge und Backenschiene zu gewährleisten. Der letzte der Verschlüsse ist bei einigen Weichenbauarten ein Gabelverschluss oder eine in der Wirkung identische Beistellvorrichtung ohne Verklammerungswirkung von Backenschiene und anliegender Zunge. Im Regelfall werden alle Verschlüsse von einem Antrieb über mechanische Verbindungen angetrieben, bei besonders langen Weichen auch in Gruppen aufgeteilt. Bei schwierigen Betriebsbedingungen mit zu erwartenden höheren Umstellkräften wie in Wüstenregionen oder in höheren Gebirgslagen werden auch die Mittelverschlüsse von eigenen Antrieben bewegt. Allerdings steigt damit der schaltungstechnische Aufwand. Bewegliche Herzstückspitzen oder Flügelschienen erhalten immer separate Antriebe, in schwierigen Fällen ebenfalls mehrere.


Weichenverschlüsse sind in der Regel so konstruiert, dass die Weichen vom Herzstück her aufgefahren werden können. Geriegelte Weichen und Weichen, die mit Geschwindigkeiten über 160 km/h befahren werden (diese erhalten wegen möglicher Kraftspitzen, die zum ungewollten Lösen der Festhalteeinrichtungen beim regulären Befahren führen könnten, nichtauffahrbare Antriebe), sind trotz des prinzipiell auffahrbaren Weichenverschlusses nicht auffahrbar. Wird eine solche Weiche dennoch aufgefahren, entstehen in jedem Fall schwere Schäden. Bewegliche Herzstückspitzen und Flügelschienen sind prinzipbedingt ebenfalls nicht auffahrbar, da es kein Teil gibt, dass von einem Radsatz bewegt werden kann, um die Verklammerung der anliegenden Spitze zu lösen. Nicht auffahrbare ferngestellte Weichen erhalten deshalb eine Überwachungseinrichtung, die eine Auffahrmeldung auslöst, wenn ein Fahrzeug auf die falsch stehende Weiche zuläuft. Innenverschlüsse können ebenfalls auffahrbar ausgelegt sein, doch wird bei vielen Betreibern darauf verzichtet. Antriebe mit nur einer Stellstange, die beide unmittelbar starrgekuppelte Zungen bewegen, wie das beispielsweise in Frankreich üblich ist, sind vergleichbar mit beweglichen Herzstückspitzen nicht auffahrbar.



Umlaufzeiten |


Die Umstellzeit von elektrisch gestellten Weichen ist abhängig von der Antriebsbauart und dem Umstellwiderstand. Bei lange Zeit üblichen deutschen Einheitsweichenantrieben der Bauart 1924 und den davon abgeleiteten Bauarten WA 350 (DR) und S700 (DB) liegt sie bei etwa zwei Sekunden. Neuere Bauarten wie S700K (Siemens) oder L826H (Thales) benötigen wegen der erforderlichen höheren Stellkräfte für Weichen mit großen Radien und schweren Schienenprofilen sowie zur Verschleißminderung etwa sechs Sekunden.


Für Rangier- und insbesondere Ablaufweichen der ersten Staffeln von Ablaufbergen werden sogenannte Schnellläuferantriebe eingesetzt. Diese in der Regel vom Einheitsweichenantrieb abgeleiteten Antriebe unterscheiden sich von diesem durch ein geringer untersetztes Vorgelege und einen Getriebeblock, der eine Drehung von nur 180° statt 270° ausführt. Der Stellweg ist entsprechend geringer. In Verbindung mit einem darauf abgestimmten Weichenverschluss beträgt die Umstellzeit eines Schnellläuferantriebes nur etwa 0,6 Sekunden. Schnellläuferantriebe sind bei Weichen, die in Zugfahrstraßen liegen, nicht zulässig.



Zusatzeinrichtungen |





Weichengrenzzeichen (mit Detailansicht)


In vielen Ländern ist an jeder Weiche zwischen den Zweiggleisen ein Grenzzeichen anzubringen, das die Stelle kennzeichnet, an der die beiden Zweiggleise den Mindestgleisabstand erreichen, also die beiden Lichtraumprofile zusammenstoßen. Bis zu dieser Stelle kann ein Zweiggleis besetzt sein, sodass im anderen Zweiggleis noch Fahrzeuge verkehren dürfen.


Darüber hinaus kann auch eine Weichenheizung installiert sein. Der Umstellvorgang einer Weiche kann bei kalter Witterung vielfach erschwert werden: So kann Schnee die Weichenmechanik behindern, die Weichenzunge kann an der Backenschiene festfrieren, oder Eisblöcke von Zügen können in das Verschlussfach und/oder die Zungenvorrichtung fallen. Darüber hinaus kann die Reibung der Gleitstuhlplatten erhöht werden. Eine Weichenheizung verhindert in vielen Fällen diese Probleme. Sie befindet sich im Zungenbereich und im Bereich von beweglichen Herzstücken und soll ein Zusammenfrieren der beweglichen Teile (Zunge und Backenschiene), aber auch das Blockieren durch Anlagern von Schnee und Eis verhindern.[15]



Bau von Weichen |




Transport einer vormontierten Weiche vom Weichenwerk zum Einbauort mit einer Weichen­transport­einheit.




Einbau des vormontiert gelieferten Mittelteils einer DKW mit einem Weichenbaukran


Alle heute eingebauten Weichen werden im Weichenwerk vorgefertigt, wieder zerlegt, auf die Baustelle transportiert und dort auf einer freien Fläche erneut vormontiert. Nach Möglichkeit werden dabei auch Verschlüsse, Antriebe, Übertragungsteile und Zungenprüfkontakte mit eingebaut. Die so erstellten Weichengroßteile (Zungenbereich, Mittelbereich und Herzstückbereich) werden dann mit einem Weichenbaukran eingebaut, ausgerichtet, geschottert, gestopft und verschweißt. In einigen Fällen werden die Weichengroßteile schon im Weichenwerk komplett (mit oder ohne Zusatzausrüstungen wie Antriebe, Übertragungsteile, Weichenheizungen usw.) vorgefertigt, vormontiert und können sofort eingebaut werden. Sie werden mit Lkw oder Weichentransportwagen zur Baustelle gebracht und mit Hilfe eines Krans oder eines speziellen Weichentransport- und Einbaugeräts eingebaut. Bevorzugt werden Kreuzungsweichen sowie Weichen mit großen Radien und aufwändigen Übertragungsteilen auf diese Weise angeliefert. Die Vormontagequalität im Weichenwerk übertrifft die auf der Baustelle mögliche deutlich. Ein weiterer Grund für die Anlieferung in vormontiertem Zustand ist ein fehlender Vormontageplatz in Baustellennähe. Um das Fahrzeugumgrenzungsprofil einzuhalten, werden die Ladeflächen der Weichentransportwagen für die Fahrt schräggestellt. Weichentransportwagen sind bei vielen Bahnverwaltungen eingestellt.


Steht genügend Zeit zur Verfügung, ist es auch üblich, Weichen am Einbauort in der Gleislücke („im Loch“) zu montieren. Bei Weichen in fester Fahrbahn ist die Montage am Einbauort erforderlich, nachdem die Fahrbahnplatte betoniert wurde.


Das Weichenwerk Witten ist die einzige Produktionsstätte der Deutschen Bahn für Eisenbahnweichen.[16] Die Deutsche Reichsbahn unterhielt Weichenwerke in Kirchmöser und Gotha, die heute ebenso zur Voestalpine BWG GmbH gehören wie das 1920 gegründete Weichenwerk Butzbach. Voestalpine BWG beschäftigt 750 Mitarbeiter.[17] Voestalpine hatte die Butzbacher Weichenbau Gesellschaft (BWG) 2003 übernommen.


Die frühere Oberbauwerkstätte in Hägendorf, heute SBB Bahntechnik-Center Hägendorf, ist das einzige Werk in der Schweiz, das serienmäßig Weichen herstellt. Es ist zwar im Besitz der SBB, stellt aber auch Weichen für andere Bahnverwaltungen her (inkl. Schmalspur- und Zahnradweichen). Die Regelweichen verlassen das Werk heute in der Regel, wenn möglich, zusammengebaut auf den Weichentransportwagen.


Im Netz der Deutschen Bahn wurden 2012 rund 1750 Weichen erneuert.[18]



Spezielle Bauformen |



Einfache Weichen |




Doppelte Gleisverbindung




Innenbogenweiche




Doppelweiche von der Herzstückseite




Doppelweiche von der Spitze




Symmetrische Doppelweiche in Châtillon-sur-Seine


In einer einfachen Weiche zweigt ein Zweiggleis von einem Stammgleis ab. Ist das Stammgleis gerade, spricht man von einer geraden Weiche. Wenn auch das Stammgleis gekrümmt ist, nennt man diese Weiche Bogenweiche. Ist das Stammgleis in die gleiche Richtung gebogen wie das Zweiggleis, handelt es sich um eine Innenbogenweiche. Ist das Stammgleis dem Zweiggleis entgegengesetzt gebogen, bezeichnet man die Weiche als Außenbogenweiche.


Gibt es mehrere Zweiggleise zu einer Seite des Stammgleises, die einander durchdringen, so spricht man von einer Doppelweiche; gelegentlich auch Dreiwegweiche genannt. Dieser platzsparende Weichentyp findet jedoch nur noch selten Verwendung. Die symmetrische Doppelweiche ist noch viel seltener, erfordert besondere, dünne und damit empfindliche Zungen sowie besondere Stellvorrichtungen und wird heute im Bereich der Eisenbahn vermutlich gar nicht mehr eingebaut. Bei Straßenbahnen ist sie aber nach wie vor üblich, jedoch wird dann in der Regel eine Zungenvorrichtung örtlich vorgezogen, um teure Sonderbauteile zu vermeiden.



Normung in Deutschland |


Bei der Deutschen Bahn AG sind die Weichen genormt und können in ihrer Bezeichnung folgende Angaben enthalten (am Beispiel EW 60-500-1:12 L Fz H):











































Kürzel
Erläuterung
Bemerkungen
EW

Weichenform
Einfache Weiche (EW), Außenbogenweiche (ABW), Innenbogenweiche (IBW), Doppelweiche (DW), einseitige Doppelweiche (EinsDW)
60

Schienenprofil
UIC60, u. a. 49 (S49: DRG, DB, DR), 54 (S54: DB) und 65 (R65: DR)
500

Radius
des abzweigenden Gleises (in m)
1:12

Weichenneigung
am Weichenende (Tangens des Weichenwinkels)
L

Abzweigrichtung
links (L) oder rechts (R)
Fz

Zungenbauart
Federzunge (Fz, ohne Zungenplatte, bei älteren S49-Weichen auch mit Zungenplatte), Federschienenzunge (Fsch, Regelbauart bei S49-Weichen), Gelenkzunge (Gz)
H

Schwellenbauart
Holzschwellen (H), Hartholz (Hh), Stahlschwellen (St), Beton (B)

Folgende Bauarten für einfache Weichen (Regelweichen) gibt es im Netz der Deutschen Bahn AG:



























































Weichenbauart (kurz)
Herzstück
zulässige Abzweiggeschwindigkeit
EW xx-190-1:7,5/6,6
gebogen
40 km/h
EW xx-190-1:7,5
gebogen
40 km/h
EW xx-190-1:9
gerade
40 km/h
EW xx-300-1:9
gebogen
50 km/h
EW xx-500-1:12
gebogen
60 km/h
EW xx-500-1:14
gerade
60 km/h
EW xx-760-1:14
gebogen
80 km/h
EW xx-1200-1:18,5
gebogen
100 km/h
EW xx-2500-1:26,5
gebogen
130 km/h
Besonderheit: symmetrische Außenbogenweiche
sym. ABW xx-215-1:4,8
gerade
40 km/h

(EW xx: Schienenprofil, z. B. EW 60)


Weichen mit Endneigungen kleiner als 1:9 (sogenannte Steilweichen) sollen aus Verschleißgründen vermieden werden, ihr Einbau ist im Einzelfall genehmigungspflichtig.


Bogenweichen (mit Ausnahme der besonderen symmetrischen Außenbogenweiche sym. ABW 215) werden nicht als Regelweichen hergestellt, sondern durch Verbiegen aus geraden Weichen erzeugt. Weiter als bis zur Symmetrie sollen Weichen nicht gebogen werden. Die aus dem Biegen resultierenden Längenänderungen werden in den Zwischenschienen ausgeglichen, damit die bearbeiteten Großteile (Zungen, Herzstück) austauschbar bleiben. Abhängig vom Radius der beiden Stränge ändert sich beim Biegen die jeweils zulässige Geschwindigkeit.



„Y-Weiche“ |


Der Begriff Y-Weiche findet sich oft im Zusammenhang mit Modellbahn-Gleisen, hat aber keine begriffliche Entsprechung in der Fachterminologie der Eisenbahn. Tatsächlich entspricht die symmetrische Außenbogenweiche sym. ABW 215 in etwa dem, was der Modellbahner darunter versteht. Allerdings unterliegt die sym. ABW 215 in der Realität der Einschränkung, dass sie in der Regel nicht in Streckengleisen vorkommt, sondern nur in Abstellgleisen und Rangieranlagen. Zu finden ist oder war sie in älteren Ablaufanlagen besonders in Frankreich, wo auf kürzestem Wege viele Gleise erreicht werden müssen und wo es für den Ablaufbetrieb wichtig ist, dass möglichst alle Ablaufwege durch die gleiche Anzahl von Weichen und Bögen verlaufen. Dieses Ziel wird heute durch mehrere Gleisbündel nach dem Ablaufberg mit je ca. acht Gleisen erreicht. Dann sind die Weichen so angeordnet, dass nach der ersten Weiche zwei, dann vier und schließlich acht Gleise nebeneinander annähernd symmetrisch angeordnet liegen.



Kreuzungsweichen |


Eine einfache Kreuzungsweiche (EKW) ist eine Kreuzung, die durch Weichen so ergänzt worden ist, dass zumindest in einer Fahrtrichtung der Übergang von einem Gleis aufs andere möglich ist (auch halber Engländer genannt). Eine doppelte Kreuzungsweiche oder Doppelkreuzweiche[19] (DKW) ermöglicht Übergänge in beide Richtungen. Diese Weichen werden bei Neubauten aufgrund des höheren Verschleißes nur noch in Ausnahmefällen zum Beispiel bei beengten Verhältnissen eingebaut. Eine dritte Variante ist die Weichenverschlingung. Sie entsteht, wenn bei einer doppelten Kreuzungsweiche einer der beiden geraden Stränge weggelassen wird. Dadurch entfallen auch die Doppelherzstücke. Diese Oberbaukonstruktion ist jedoch sehr selten.


Bei beiden Typen wird zwischen den Kreuzungsweichen mit innenliegenden Zungen (meist vorkommende Bauart, wegen ihrer früheren Häufigkeit im britischen Netz auch Engländer genannt) und denen mit außenliegenden Zungen (oft als System „Bäseler“ bezeichnet) unterschieden. Die außenliegenden Zungen ermöglichen größere Bogenradien und damit höhere Geschwindigkeiten, sind aber wegen der erforderlichen Mehrfachherzstücke noch aufwendiger.


Bei besonders beengten Gleisverhältnissen wurden Doppelkreuzungsweichen mit Bogeneinlauf, von den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) als versteilte DKW bezeichnet, eingebaut. Bei diesen äußerst seltenen Weichen ist die Backenschiene im Bereich, wo die Weichenzunge anliegt, gekrümmt. Die Weichenneigung wird dadurch größer. Weil im Jahr 2017 in Luzern und in Basel Reisezüge auf DKW mit Bogeneinlauf entgleisten, ersetzen die SBB die kritischen Weichen und passen die Gleisgeometrie an.[19]


Kreuzungsweichen haben drei Nachteile: Zum einen sind sie teurer und aufwendiger als zwei einfache Weichen, auch ist bei innenliegenden Zungen im Regelfall kein Platz, um jede Zunge mit einem eigenen Verschluss und Zungenprüfer auszurüsten. Jeweils benachbarte Zungen werden mit Kuppelstangen verbunden, an die nicht mit einem Verschluss ausgerüsteten Zunge werden die Zungenprüfer- oder Riegelstangen angeschlossen. Insbesondere doppelte Kreuzungsweichen mit Verschlüssen an den Innenzungen sind empfindlich gegen Längswandern dieser Innenzungen. Außerdem ist ein vollständiges Unter- bzw. Nachstopfen einer EKW/DKW nur schwer möglich, da an manchen Stellen die Stopfpickel wegen der Platzverhältnisse nicht eintauchen können. Kreuzungsweichen werden heute nur noch bei stark beengten Platzverhältnissen im Gleisplan belassen bzw. neu eingebaut. Weil vorhandene Kreuzungsweichen nach Möglichkeit durch einfache Weichen ersetzt werden, nimmt ihre Zahl stetig ab.




Weiche mit beweglichem Herzstück |


Bei den herkömmlichen Weichen wird das Rad in der Herzstücklücke kurzzeitig nicht geführt (führungslose Stelle). Die Spurführung wird durch auf die Rückflächen der Räder wirkende Radlenker an der gegenüberliegenden Schiene gewährleistet. Wenn auf einer Strecke Fahrzeuge mit unterschiedlich breiten Spurkränzen und damit unterschiedlichem Rückflächenabstand eingesetzt werden (z. B. Straßenbahnfahrzeuge auf Eisenbahnstrecken), kann diese Lösung nicht eingesetzt werden. Weichen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr (Schnellfahrweichen) haben aufgrund des flachen Kreuzungswinkels sehr lange Herzstücke und Herzstücklücken. Würde man gewöhnlich konstruierte Herzstücke verwenden, dann müsste die Last von der dann sehr langen und dünnen Herzstückspitze und von der nach außen wegführenden Flügelschiene mit nur sehr kleinen Kontaktflächen getragen werden, was zu starken Verschleißerscheinungen führen und die Laufsicherheit beeinträchtigen würde.


In beiden Fällen werden Weichen mit beweglichen Herzstücken eingesetzt, für die es zwei unterschiedliche Ausführungsarten gibt:




  • bewegliche Herzstückspitze: Die Herzstückspitze ist seitenbeweglich (federnd oder drehbar) gelagert und wird wie eine Weichenzunge gegen die Flügelschiene gedrückt (siehe Bild)


  • bewegliche Flügelschienen: Bei dieser Bauform werden die Flügelschienen gegen die feststehende Spitze gebogen.


In beiden Fällen wird die Herzstücklücke geschlossen. Die Spitze des Herzstücks muss keine Last mehr tragen und ist leicht abgesenkt. Sie dient nur noch der seitlichen Führung. Diese ist nun unterbrechungsfrei, sodass Radlenker nicht benötigt werden. Damit entfällt auch der bei höheren Geschwindigkeiten unangenehme „Schlag“, wenn der Radsatz an den Radlenker anläuft, was aufgrund des Sinuslaufes von Eisenbahnradsätzen unvermeidbar ist.


Auch bei vielbefahrenen Weichen und Kreuzungen werden manchmal bewegliche Herzstücke eingebaut, selbst wenn dies aus geometrischen Gründen nicht unbedingt nötig wäre. Der Grund liegt hier vor allem im wesentlich geringeren Verschleiß der lückenlosen Schiene, der die Mehrkosten für den zusätzlichen Antrieb aufwiegt.


Ein weiterer Grund ist das Verkehren von Fahrzeugen mit unterschiedlichen Radreifen- und Spurkranzformen. Typisch dafür ist Mischbetrieb von Straßenbahn- und Eisenbahnfahrzeugen auf demselben Gleis. Wegen des größeren Rückflächenabstandes eines Straßenbahnradsatzes und der in der Regel schmaleren Laufflächen ist eine sichere Führung durch den Fernbahnradlenker und ebenso das Überlaufen der Herzstücklücke nicht gewährleistet. Gut sichtbare Beispiele sind die Strecke Wien Philadelphiabrücke–Baden der Lokalbahn Wien–Baden, die im Mischbetrieb befahrenen Strecken der Stadtbahn Köln/Bonn im Zug der Linien 7, 16 und 18 und die Bahnstrecke Zwickau–Zwickau-Zentrum.


Auch außerhalb Deutschlands gab es solche Weichen, z. B. bei der 1927 von einer Lokalbahn zur Straßenbahn umgebauten Linie 11 der HTM (Den Haag, Niederlande). Um die an der Strecke angeschlossenen Industriebetriebe bis Scheveningen mit Eisenbahnwagen bedienen zu können, wurde die ganze Linie mit Weichen mit beweglichen Herzstücken ausgerüstet. Der letzte Güterzug fuhr auf dieser Strecke im Jahr 1974. Einige Weichen existieren noch heute, werden aber bei Weichenauswechslungen durch reguläre Weichen mit Straßenbahnmaßen ersetzt.


Bewegliche Herzstücke sind niemals auffahrbar. Werden sie in falscher Lage befahren, kommt es in jedem Fall zu Schäden.




Schnellfahrweichen |




Schnellfahrweiche im Gotthard-Basistunnel


Als Schnellfahrweichen werden Weichen mit einer hohen Zweiggleisgeschwindigkeit bezeichnet. Durch bewegliche Herzstücke wird eine durchgehende Fahrfläche hergestellt, sehr schlanke, lang auslaufende Zungen sollen die aus einer Unstetigkeit resultierenden Kräfte vermindern. Durch die lang auslaufenden Zungen sind mehrere Kraftangriffspunkte notwendig.[20]


Die seit den frühen 1970er Jahren geplanten Neubaustrecken in Deutschland erforderten neue Weichenkonstruktionen, die den erhöhten physikalischen Beanspruchungen gerecht werden konnten. Zunächst stand die zulässige Geschwindigkeit im Mittelpunkt der betrieblichen Anforderungen. Da bei selten genutzten Gleiswechseln nur das gerade Stammgleis mit hoher Geschwindigkeit befahren wird, ging man anfangs davon aus, dass einfache Weichen der Form EW 60-1200-1:18,5 mit festen Herzstücken ausreichend wären, so dass diese Bauform in den Überleitstellen der ersten deutschen Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg überwiegend zum Einsatz kam.


Für lange Zeit waren EW xx-1200-1:18,5 die Weichen mit der höchsten Zweiggleisgeschwindigkeit bei deutschen Bahnen. Die DB hatte bis Mitte der 1970er Jahre zwei Bauarten von Herzstücken mit beweglicher Spitze entwickelt: gelenk- und federbeweglich. Beide waren in insgesamt 32 Weichen in Erprobung. Für hohe Geschwindigkeiten wurden die Weichen EW 60-1200-1:18,5 (für 100 km/h im Zweiggleis, in je einer Ausführung für beide Herzstück-Konstruktionen) und die EW 60-2500-1:26,5 mit federnd-beweglicher Spitze (Zweiggleisgeschwindigkeit 130 km/h) entwickelt.[20]


Als Schnellfahrweiche, die auch im Abzweig für höhere Geschwindigkeiten geeignet ist, gab es in der Anfangszeit nur die EW 60-2500-1:26,5 (zulässige Geschwindigkeit im Abzweig 130 km/h), die wegen der geometrisch bedingten großen Herzstücklücke von Anfang an über eine bewegliche Herzstückspitze verfügte. Sie eignete sich daher z. B. in der Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg für den Abzweig Sorsum (von und nach Hildesheim), dessen weiterer Bogenverlauf ohnehin nur eine Geschwindigkeit von 130 km/h ermöglicht.


Andere Abzweige, die mit noch größeren Geschwindigkeiten befahren werden sollten, erforderten noch längere Weichen. So wurden in der Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart erstmals die (zwei verschiedene Radien aufweisenden) Korbbogenweichen EW 60-7000/6000-1:42 und EW 60-6000/3700-1:32,5 eingebaut. Sie erfordern nicht nur bewegliche Herzstücke, sondern auch erheblich längere Weichenzungen und dadurch mehrere Antriebe.


Weichenlaternen sind vom Grundsatz her nur noch dort notwendig, wo ohne technisch gesicherte Rangierfahrstraßen rangiert wird und das Personal den eingestellten Fahrweg erkennen können muss. Abweichend davon verfügen die Schnellfahrweichen mit beweglicher Herzstückspitze zusätzlich immer noch über (mehrere) herkömmliche Weichenlaternen, um dem Instandhaltungspersonal eine Rückmeldung über die synchrone Stellung von Zungen und Herzstückspitze zu bieten.


Folgende Bauarten für Schnellfahrweichen (Regelweichen) gibt es im Bestand der Deutschen Bahn AG, konzipiert für die ersten deutschen Schnellfahrstrecken Mannheim–Stuttgart und Hannover–Würzburg:[21]





























Weichenbauart (kurz)
Antriebe / Verschlüsse
Zungenvorrichtung / Herzstückspitze
zulässige Geschwindigkeit
Stammgleis / Abzweig
EW 60-1200-1:18,5-fb
1 / 3 + 1 / 2
280 km/h / 100 km/h
EW 60-2500-1:26,5-fb
1 / 4 + 1 / 3
280 km/h / 130 km/h
Korbbogenweichen
EW 60-6000/3700-1:32,5-fb
2 / 7 + 1 / 3
280 km/h / 160 km/h
EW 60-7000/6000-1:42-fb
2 / 8 + 1 / 3
280 km/h / 200 km/h

(Anmerkung: -fb = federnd bewegliches Herzstück)


Bei Korbbogenweichen beginnt der Bogen an den Weichenzungen mit einem größeren Halbmesser (bei der EW 60-7000/6000 mit 7000 Metern), um dann etwa zur Weichenmitte hin in einen kleineren Halbmesser (hier: 6000 Meter) überzugehen. Nach dem Herzstück schließt sich im Abzweig ein Übergangsbogen an, der das Gleis wieder in die Gerade führt. Daher können Korbbogenweichen bei streckenüblichem Gleismittenabstand nicht in Überleitstellen verwendet werden.




Klothoidenweichen |


Klothoidenweichen sind eine neue Bauweise von Schnellfahrweichen. Ihr Krümmungsverlauf nimmt linear zu und dient einer ruckfreien Fahrdynamik. Dabei sinkt der Radius des abzweigenden Stranges kontinuierlich, nach der geometrischen Form der Klothoide, ab. Der für Fahrgäste unangenehme Ruck beim Gleiswechsel fällt dadurch wesentlich sanfter aus als bei den bislang gängigen Korbbogenweichen, zusätzlich ist der Verschleiß geringer.


Im Netz der Deutschen Bahn kam die neue Bauform in größerer Stückzahl erstmals auf der im September 1998 eröffneten Schnellfahrstrecke Hannover–Berlin zum Einsatz.


Die längsten (169,2 Meter) und im abzweigenden Strang schnellstbefahrbaren Klothoidenweichen in Deutschland wurden im Januar 1998 im Bahnhof Bitterfeld an der Bahnstrecke Berlin–Halle eingebaut (siehe auch #Weichenrekorde). In südlicher Richtung zweigt hier der Streckenast nach Halle vom Streckenast nach Leipzig ab. Die konstruktiv zulässigen Höchstgeschwindigkeiten der Weichen (Typ EW 60-16000/6100-1:40,15-fb) betragen für das Stammgleis 330 km/h und für das abzweigende Gleis 220 km/h. Im Regelbetrieb sind jedoch nur bis zu 200 km/h erlaubt. Im Rahmen der Weichenerneuerung wurde die Weiche 3 2018 durch konventionelle Korbbogenweichen ersetzt, da die Mehrkosten der Klothoidenweichen nicht mehr nach der LuFV zuwendungsfähig sind.


Bauarten für Klothoidenweichen im Bestand der Deutschen Bahn AG, konzipiert für neue Schnellfahrstrecken:[21]




























Weichenbauart (kurz)
Antriebe / Verschlüsse
Zungenvorrichtung / Herzstückspitze
zulässige Geschwindigkeit
Stammgleis / Abzweig
EW 60-3000/1500-1:18,5
4 / 4 + 3 / 3
330 km/h / 100 km/h
EW 60-4800/2450-1:24,26
5 / 5 + 3 / 3
330 km/h / 130 km/h
EW 60-10000/4000-1:39
6 / 6 + 3 / 3
330 km/h / 160 km/h
EW 60-16000/6100-1:40,15
8 / 8 + 3 / 3
330 km/h / 220 km/h

Nur die kürzeren Klothoidenweichen EW 60-3000/1500 und EW 60-4800/2450 werden bei streckenüblichem Gleismittenabstand in Überleitstellen verwendet, da die Überleitung in den Gegenbogen bei den längeren Weichen mehr Abstand erfordert.



Herzstücke mit Flachrille |


Auch im Falle eines zu steilen Herzstückwinkels fällt der Radsatz in die Lücke zwischen Spitze und Flügelschiene. Da solche steilen Kreuzungswinkel jedoch üblicherweise nur bei Gleisen eintreten, die mit geringen Geschwindigkeiten befahren werden (Industrieanschlüsse, Straßenbahnen, etc.), wird in diesem Fall meist ein Herzstück mit Flachrille eingebaut. Hierbei läuft das Rad kurzzeitig auf dem Spurkranz und wird auf diese Weise über die Lücke gehoben. Solche Herzstücke unterliegen einem größeren Verschleiß, da die Auflagefläche des Spurkranzes wesentlich geringer ist als jene der Lauffläche.



Rückfallweiche |




Schmalspurige Rückfallweiche (Weißeritztalbahn)


Eine Rückfallweiche kehrt nach dem Auffahren selbsttätig in ihre ursprüngliche Stellung zurück. Rückfallweichen werden häufig an eingleisigen Strecken eingesetzt, z. B. im Zugleitbetrieb. In Bahnhöfen mit mindestens zwei Rückfallweichen sind Zugkreuzungen ohne Weichenbedienung möglich. Eine Rückfallweiche wird mithilfe einer Handstellvorrichtung in einer Stellung festgehalten. Diese Handstellvorrichtung wird durch ein Weichenbockschloss verschlossen und gegen unbefugte Betätigung gesichert. Sie ist mit der Schieberstange durch ein Federglied an Stelle der Bockstange verbunden. Beim Auffahren vom Herzstück her drückt der Spurkranz der ersten Achse die bisher abliegende Zunge in die andere Lage. Dabei wird die Rückstellfeder im Federglied gespannt. Nach dem Freifahren der Zungenvorrichtung „fällt“ sie, nach einer Verzögerung von einigen Sekunden, von der Federkraft der ölgedämpften Rückstellfeder angetrieben, wieder in ihre Grundstellung zurück, daher die Bezeichnung Rückfallweiche. Eine Rückfallweiche lässt sich zum Rangieren oder im Fehlerfall wie eine gewöhnliche ortsgestellte Weiche mithilfe der Handstellvorrichtung umstellen. Zur Überwachung der korrekten Endlage der Rückfallweiche und gegebenenfalls des Verschlusses des Schlüssels in der Schlüsselabhängigkeit ist ein Überwachungssignal Ne 13 vor der Weichenspitze aufgestellt, das von einem Zungenprüfkontakt gesteuert wird. Liegt die Rückfallweiche in Endlage ihrer Grundstellung, zeigt das Überwachungssignal ein weißes Licht über einem orangen waagerechten Streifen und einem weiß-orangen schräg gestreiften Mastschild, hat die Rückfallweiche ihre Endlage nicht erreicht, ist das Licht dunkel. In Altanlagen können noch andere Signalisierungen vorkommen.


In Straßenbahnnetzen ist der Einbau von Rückfallweichen (häufig als Federweichen bezeichnet) bei Ausweichen üblich. Sie werden bei Fahrten vom Herzstück aus planmäßig durch jede Achse (bzw. Drehgestell) aufgefahren und fallen nach Durchfahren sofort in ihre Grundstellung zurück. Dadurch entsteht unter einem Wagen kurzzeitig eine „falsche“ Weichenstellung.



Sandweiche |




Sandkoffer mit Begrenzung durch Fahrschienen



Eine Sandweiche hat Weichenzungen ähnlich einer einfachen Weiche, der abzweigende Strang endet jedoch schon vor dem Herzstück in einem Sandkoffer. Es handelt sich hier um eine spezielle Bauform der Schutzweiche. Entlaufene Wagen in Bahnhöfen mit Gefälle wurden durch die Sandweiche in einen Gleisabschnitt gelenkt, der mit Sand gefüllt war. Häufig führte dieses Verfahren jedoch zu Entgleisungen, deswegen wird auch in der Schweiz der Begriff Entgleis-, in anderen Ländern Entgleisungsweiche benutzt. Sandweichen wirken somit ähnlich wie Gleissperren und dienen wie diese als Flankenschutzeinrichtung, durften aber auch in von Zügen befahrenen Gleisen eingebaut werden. Sandweichen oder Sandgleise werden heute nur noch selten verwendet, z. B. im Bahnhof Dresden-Friedrichstadt.



Schleppweiche |




Schleppweiche der Pöstlingbergbahn, 2005


Bei der Schleppweiche wird die gesamte Fahrbahn verschwenkt, es gibt beim herkömmlichen Zweischienengleis keine durchlaufenden Außenschienen. Die Weichenzungen sind hier gerade und an der Weichenspitze beweglich gelagert, die Stellvorrichtung liegt am inneren Ende der Weichenzunge und verschiebt die Schienen auf den geraden oder den abzweigenden Strang. Anstelle eines Herzstückes haben Schleppweichen, die von Fahrzeugen mit Doppelspurkranzrädern befahren werden, ein drehbares Schienenstück, welches in den zu befahrenden Schienenstrang gedreht wird.


Die ersten Eisenbahnweichen waren Schleppweichen. Da sie insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten nicht betriebssicher waren, wurden sie bei den Eisenbahnen bald durch andere Bauformen ersetzt. Ein Einsatzgebiet sind heute noch Bergbahnen, die aus Sicherheitsgründen über doppelte Spurkränze verfügen oder mit Zangenbremsen ausgestattet sind. Ein bekanntes Beispiel dafür war die Linzer Pöstlingbergbahn, die bis zu ihrem Umbau in den Jahren 2008/2009 mit Schleppweichen ausgestattet war. Auch bei Feldbahnen sind noch vereinzelte Exemplare anzutreffen.[22]




Federweiche der Rigi-Bahnen für Zahnstangenstrecken


Seit 1999 setzen die Rigi-Bahnen neu entwickelte, als Federweichen bezeichnete Zahnstangenweichen ein, in welchen das Gleis von der einen Endlage in die andere entlang einer definierten Kurve gebogen wird. Die Konstruktion hat weniger bewegliche Teile als eine übliche Zahnstangenweiche und benötigt keine Weichenheizung.[23]


Schienengebundene Verkehrssysteme, die mit einem vom herkömmlichen Zweischienengleis abweichenden Gleissystem ausgestattet sind und deren Fahrzeuge den Fahrweg umgreifen oder in ihn hineinragen, insbesondere also alle Arten von Einschienenbahnen und Hängebahnen (z. B. Alwegbahnen, Wuppertaler Schwebebahn oder Magnetschwebebahnen) sind auf die Verwendung von langen Schleppweichen angewiesen. Schleppweichen von Einschienenbahnen sind sowohl vom Bau her aufwändiger als auch im Betrieb sehr viel zeitaufwändiger und schwerfälliger als Zungenweichen. So benötigen sie etwa die acht- bis zehnfache Zeit einer Zungenweiche für die Umstellung.[24] Dadurch ist die Fahrwegbildung und -auflösung sehr viel langsamer und damit auch die Streckenkapazität geringer als bei der Zweischienenbahn. Dies ist ein wesentlicher Grund, dass solche Systeme singuläre Inselbetriebe bleiben und sich nicht zum Netz entwickeln.



Auch Fahrdrahtweichen für den Obusbetrieb wie auch in Straßenbahnnetzen mit Stangenstromabnehmern funktionieren nach dem Prinzip der Schleppweiche.




Zungenlose Weiche |




Zungenlose Zusammenführung von Regel- und Schmalspur (Bf Oschatz 1982)



Allgemeines |


Zungenlose Weichen werden am Anfang und am Ende eines Drei- oder Vierschienengleises eingesetzt. Ob die Weiche im geraden oder im abzweigenden Strang befahren wird, hängt von der Spurweite ab. Zungenlose Weichen haben ein Herzstück, Flügelschienen und mehrere Radlenker. Um den Durchlauf der Spurkränze durch die möglichst kleine Lücke im gemeinsam benutzten Strang zu garantieren, sind sie auch auf der Außenseite der Fahrschienen erforderlich. Zweigt das Schmalspurgleis entgegen der Seite des gemeinsamen Stranges ab sowie generell bei der Auftrennung eines Vierschienengleises ist zusätzlich ein Doppelherzstück notwendig. Bei frühen Pferdestraßenbahnen kamen auch Weichen ohne Zunge zum Einsatz, wobei durch die Zugrichtung des Pferdes die Fahrtrichtung bestimmt wurde.[25]



Zungen- und herzstücklose Anbindung (ZHA) |




ZHA Umspannwerk Erfurt-Vieselbach


Eine Sonderform der zungenlosen Weiche ist die Zungen- und herzstücklose Anbindung (ZHA), die jedoch nicht Weiche genannt wird, und in weichenlosen Gleisanschlüssen genutzt wird. Dabei sind die beiden Schienen des Hauptgleises durchgehend, die des abzweigenden Gleises jedoch unterbrochen. Ist der Abzweig zu bedienen, müssen die Schienen des Hauptgleises durchtrennt, in Richtung des abzweigenden Gleises umgebogen und mit diesem verlascht werden. Nach der Bedienung werden die Schienen wieder zurückgebogen und mit dem Hauptgleis verschweißt. Diese Art der Abzweigung wird bei sehr selten benutzten Anschlüssen verwendet, z. B. bei Umspannwerken für Trafotransporte. Das Auftrennen und Wiederverschweißen ist günstiger, als eine normale Weiche zu unterhalten. Beispiele in Deutschland finden sich bei Langenfeld (Rheinland) Welt-Icon51.0691676.959012, auf der Neubaustrecke Erfurt–Leipzig/Halle am Abzweig zum Umspannwerk Erfurt-Vieselbach Welt-Icon50.993061711.1220801, an der Abzweigstelle Saalbach der Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart in der Verbindungskurve nach Karlsruhe Welt-Icon49.2206638.4975319 sowie im Bahnhof Heidelberg-Kirchheim/Rohrbach Welt-Icon49.38391468.6761214.



Kletterweiche |




Kletterweiche in Berlin-Schöneweide, 2002


Eine Kletterweiche, auch Auflegeweiche oder Aufliegeweiche genannt, wird üblicherweise nur bei Straßenbahnen und Feldbahnen eingesetzt. Sie wird behelfsmäßig meist wegen Bauarbeiten auf das bestehende Gleis gelegt, um Züge auf ein anderes Gleis überzuleiten. Die Kletterweiche besteht hierzu aus fest miteinander verbundenen Schienenprofilen. Über abgeflachte Enden können die Züge auf die Behelfsweiche fahren und umgeleitet werden.[26]



Weiche im Mehrschienengleis |




Weiche in Dreischienengleis (Brasilien, 1600 und 1000 mm Spurweite)


Im Verlauf von Drei- oder Vierschienengleisen befindliche Weichen sind Spezialkonstruktionen mit zumeist mehreren Herzstücken. Die Zahl der benötigten Herzstücke ist abhängig von der Art des Mehrschienengleises. Auch die Lage (Seite) der schmaleren Spur innerhalb eines Dreischienengleises wirkt sich diesbezüglich aus. Weiterhin gibt es Unterschiede bezüglich der Art des abzweigenden Gleises. Hier kann es sich entweder um eine der beiden Spurweiten oder auch um ein Mehrschienengleis handeln.



Zahnradbahn-Weiche |




Zahnradbahnweiche (Wengernalpbahn)




Spezialweiche der Vitznau-Rigi-Bahn (Schweiz), die ohne Wegklappen einzelner Schienen- oder Zahnstangenteile auskommt (hier bei Freibergen)


Bei Zahnradbahnen sind, auch und gerade im Hinblick auf die Bauart der Weichen, zwei grundlegend unterschiedliche Systeme zu betrachten. Einerseits gibt es Zahnradbahnen, deren Zahnstangen oberhalb der Fahrschienen liegen, andererseits solche, bei denen die Oberkanten von Zahn- und Fahrschiene in derselben Höhe liegen. Bei ersteren ist es möglich, dass die mit Zahnrädern ausgerüsteten Fahrzeuge auch konventionelle Weichen befahren, da die Zahnräder auch im ungünstigsten zulässigen Verschleißzustand über der Schienenoberkante liegen. Beispiele hierfür sind die Strecken mit Adhäsions- und Zahnstangenmischbetrieb wie die schweizerische Matterhorn-Gotthard-Bahn (MGB, ehemals FO und BVZ). Zahnstangenweichen können bei derartigen Bahnen durch recht einfache Klappkonstruktionen gelöst werden, insbesondere, wenn es sich um das zweilamellige Abt-System handelt. Einzellamellen werden dann über die Fahrschiene geschoben, ohne letztere zu bewegen. Solch einfache Konstruktionen sind aber nur dann möglich, wenn nicht die volle Kraft über die Zahnstange übertragen werden muss, beispielsweise in geringen Steigungen oder in der Ebene. Solche Weichen kommen bevorzugt dann zum Einsatz, wenn man sich z. B. in einer Kreuzungsstation das Aus- und Wiedereinfahren aus bzw. in die Zahnstange ersparen möchte, weil es zu Fahrtverlangsamungen führt. Der Vorteil, konventionelle Weichen einbauen zu können, geht aber mit einem Nachteil einher: Bei Bahnübergängen im Zahnstangenabschnitt sind entweder aufwändige technische Lösungen zur Absenkung der Zahnstange notwendig, oder es entsteht eine Querwelle für den Straßenverkehr. Derartige Querwellen werden heute generell nicht mehr genehmigt. Ein Beispiel für eine absenkbare Zahnstange ist die Kreuzung von Straße und Dampfbahn Furka-Bergstrecke in Oberwald.


Im Fall einer niedrig eingebauten Zahnschiene nach der ursprünglichen Bauart Riggenbach, wie es z. B. in Stuttgart bei der Zahnradbahn der Stuttgarter Straßenbahnen AG der Fall ist, sind niveaugleiche Straßenkreuzungen unproblematisch, da die entstehenden Spalten bei den üblichen Zahnteilungen nicht breiter als bei Schienenrillen werden und keine Höhendifferenzen im Straßenplanum auftreten. Im Gegenzug ist man aber nun an Weichen gezwungen, sowohl die Zahnstange als auch die Laufschienen mit beweglichen Stücken auszustatten, die gemeinsam mit den Weichenzungen umgestellt werden, da die unter die Schienenoberkante ragenden Zahnräder sonst mit den kreuzenden Zwischenschienen kollidieren würden.


Bei reinen Zahnradbahnen, deren Triebfahrzeuge keine Adhäsionstriebwerke haben, ist man auf Weichen angewiesen, bei denen die Zahnstange durchgeführt ist.




Gleiswender |




Gleiswender (Pilatusbahn)


Bei Zahnradbahnen mit einer Zahnstange System Locher sind wegen der waagerecht liegenden Zahnräder Kreuzungen zwischen Fahrschiene und Zahnstange nicht möglich, so dass die Verwendung herkömmlicher Weichen nicht umsetzbar ist. Stattdessen werden sogenannte Gleiswender eingesetzt. Diese bestehen aus einem Rahmen, an dem auf der Oberseite ein Gleis für den geraden Strang und auf der Unterseite ein Gleis für den abzweigenden Strang angebracht ist. Der Rahmen ist in Richtung der Gleisachse um 180° drehbar, so dass in beiden Lagen Fahrschienen und Zahnstange durchgängig sind. Ursprünglich waren bei Zahnradbahnen nach dem System Locher anstatt Weichen Schiebebühnen mit montierten Gleisen eingebaut, auf denen gerader und abzweigender Strang nebeneinander angebracht waren, die damit ebenfalls durchgehend befahren werden konnten.



Bogendrehscheibe |




Bogendrehscheibe im Bahnhof Vitznau der VRB


Eine Bogendrehscheibe ist eine Drehscheibe, auf der sich ein gebogenes Gleis befindet. Je nachdem, welches der beiden Bogenenden man in Richtung Einfahrtstrang dreht, zeigt das jeweils gegenüberliegende Bogenende entweder auf den linken oder rechten Ausfahrtstrang. Bei Eisenbahnen sind Bogendrehscheiben eher theoretischer Natur und werden kaum bis gar nicht verwendet, allerdings ist diese Bauform die Standardweiche der Lartigue-Einschienenbahn.


Eine Bogendrehscheibe mit zwei sich kreuzenden Gleisen, von denen eins gerade und das andere im Bogen eingebaut ist, befindet sich im Bahnhof Vitznau der Vitznau-Rigi-Bahn zur Anbindung der Fahrzeughallen an beide Bahnsteiggleise.



Abtsche Weiche bei Standseilbahnen |



Die Abtsche Weiche ist eine Sonderkonstruktion für Standseilbahnen, die bei der Ausweichstelle in der Mitte der Strecke benutzt wird. Die Weiche weist keine beweglichen Teile auf, weil die Seilbahnwagen durch Räder mit doppelten Spurkränzen auf der Außenschiene geführt werden und auf den Rädern der Innenschiene keine Spurkränze haben.[27]



Straßenbahnweichen |




Eine mittels Mehrschienengleis verlegte Weiche einer Straßenbahn (die Zungenvorrichtung befindet sich auf Höhe des Fahrleitungsmastes)




Drehstuhlweiche, Baujahr 1905, der eingestellten Vorortbahn Cotta–Cossebaude (2016)




Außenbogenweichen der Straßenbahn in Sankt Petersburg, Baujahr 1906/1907


In Straßenbahnnetzen werden zwei unterschiedliche Weichenkonstruktionen eingesetzt. Bei jenen Streckenabschnitten, die im Straßenplanum liegen, werden Weichen aus Rillenschienen verwendet. Im Radlenkerbereich verengen sich die Rillen der Rillenschienen, bei älteren Bauarten wurden im Bereich von Flachrillenherzstücken auch Radlenkerschienen mit Flachrillen eingebaut. Straßenbahntypische Weichenantriebe für Rillenschienenweichen liegen meist zwischen den Backenschienen. Weil die Zungen in der abliegenden Stellung die Innenkante der Rille bilden, ist der Zungenaufschlag nur etwa so groß wie die Rillenweite und daher deutlich kleiner als bei Eisenbahnweichen.


Straßenbahnweichen, die uneingedeckt auf einem Streckenabschnitt mit eigenem Gleiskörper liegen, entsprechen in der Regel den bei Eisenbahnen üblichen Bauarten. Sichtbare Unterschiede gibt es je nach verwendetem Radreifenprofil bei den Leit- und Rillenweiten der Radlenker und Herzstücke. Diese sind bei klassischen Straßenbahnbetrieben deutlich schmaler, die Radlenker ragen außerdem nicht über die Schienenoberkante der Fahrschienen hinaus. Straßenbahnweichen können wesentlich geringere Bogenradien aufweisen. Kreuzungsweichen sind bei Straßenbahnen selten. Werden straßenbahntypische Weichenantriebe genutzt, dann liegt der Zungenaufschlag auch bei Vignolschienenweichen im bei Rillenschienenweichen üblichen Maß.


In der Vergangenheit wurden bei vielen Betrieben, z. B. in Leipzig, Rillenschienenweichen auch auf eigenem Gleiskörper eingesetzt. Liegt eine Weiche nur teilweise im Straßenraum, dann ist ein Wechsel von Rillen- auf Vignolschienen auch innerhalb der Weiche, jedoch nicht im Zungen- oder Herzstückbereich möglich.


Auf Gleisen mit Mischbetrieb von Straßen- und Eisenbahnfahrzeugen werden grundsätzlich reguläre Eisenbahnweichen verwendet. Sollen Straßenbahnfahrzeuge ohne fahrzeugseitige Anpassungen verkehren, sind Herzstücke ohne Fahrkantenunterbrechung erforderlich. Möglich ist das durch bewegliche Herzstückspitzen oder Flügelschienen. Letztere verwenden beispielsweise die Rheinuferbahn und die Lokalbahn Wien–Baden.



Einfache Weiche |


Rillenschienen verfügen über einen durchgehenden Spurkanal. Deshalb sind bei Weichen im Straßenplanum keine besonderen Radlenker und Flügelschienen erforderlich. Im Radlenkerbereich verengt sich die Rillenweite allerdings. Da bei Straßenbahnen die Lauffläche der Räder in der Regel schmaler ist als bei Vollbahnen, führt dies insbesondere im Bereich der Herzstücke zu stärkeren Stößen, da die Auflagefläche des Rades kleiner ist. Im Herzstück- und im Radlenkerbereich wird daher die Rillenschiene häufig als Flachrille ausgeführt, bei denen der Spurkranz auf dem Grund der Rille rollt. Seit einigen Jahren werden meist etwas breitere Radreifen eingesetzt, damit wurden in vielen Fällen Tiefrillenherzstücke möglich. Die Laufruhe der Fahrzeuge ist auf diesen deutlich besser.


Bei den frühen Pferdestraßenbahnen waren zungenlose Weichen üblich. Beim spitzen Befahren wurde über die Zugrichtung des Pferdegespannes die Fahrtrichtung auf der Weiche bestimmt. Insbesondere an Kreuzungsstellen wurden auch tiefer ausgearbeitete Rillen für die Vorzugsfahrrichtung verwendet. Mit dem Einsatz von Straßenbahntriebwagen wurden Zungen zur Steuerung der Fahrtrichtung notwendig, wobei häufig Weichen mit nur einer Zunge ausgerüstet wurden.



Einzungenweiche |




Einzungenweiche in Toronto. Die vom Betrachter entfernt liegende Seite hat keine Weichenzunge.


Einzungenweichen sind Weichen, die nur über eine Zunge verfügen. Sie wurden früher aufgrund ihrer günstigeren Herstellungskosten auf der ganzen Welt eingesetzt, inzwischen findet man sie noch in den Städten der ehemaligen Sowjetunion sowie zum Beispiel in Toronto (Kanada) und San Francisco (Vereinigte Staaten). Die Zunge wirkt an der Backenschiene anliegend wie bei einer gewöhnlichen Weiche, abliegend dagegen als Radlenker. Diese Einzungenweichenkonstruktion ist nur als Gelenkzungenweiche bei kleinem Bogenradius und Rillenschienen möglich. Die zungenlose Seite der Weichenspitze ist in der Regel eine Flachrille mit Spurkranzauflauf.


Trennungen von Dreischienengleisen mit großen Bogenradien werden zur Gewährleistung einer durchgehenden Fahrkante ebenfalls als Einzungenweiche ausgeführt.



Vorgezogene Zungenvorrichtung |


Speziell bei Straßenbahnen können Weichen auch im Bereich von befahrenen Straßen oder engen Kurven liegen. Um die Störanfälligkeit zu minimieren, werden diese häufig mittels kurzer Vierschienengleise mit direkt nebeneinander liegenden Schienen von solch einer ungünstigen Stelle einige Meter weiter weg gelegt.


Diese Bauart ist auch bekannt unter dem Begriff vorgezogene Zungenvorrichtung.



Vorsortierweiche |


Bei einer nur bei Straßenbahnen eingesetzten Vorsortierweiche wird das Mehrschienengleis soweit verlängert, dass es beispielsweise über die komplette Länge einer Haltestelle reicht, und mehrere Züge in sie einfahren können. Dies ermöglicht es den Triebwagenführern, bei der Einfahrt in die Haltestelle langsam zu fahren, um die Weichenstellung zu kontrollieren. Solange die Weichenumstellung oberstromabhängig erfolgte, war es damit zusätzlich möglich, den Fahrleitungskontakt im Auslauf und damit fallweise ohne Stromaufnahme zu befahren.


Die Ausfahrt aus der Haltestelle kann nun schneller erfolgen, da auch beim dichten Aufeinanderfolgen von mehreren Zügen keine Weiche mehr gestellt werden muss und auch nicht irrtümlich umgestellt werden kann. Auch nach der Einführung von fahrstromunabhängigen Weichenstellvorrichtungen und unter dem Zug verriegelten Weichen entlasten derartige Vorsortierweichen das Fahrpersonal, das seine Aufmerksamkeit stärker auf das Verkehrsgeschehen richten kann. Der Nachteil besteht darin, dass bei plötzlich auftretenden Störungen (z. B. Unfälle) die Fahrtrichtung in einem solchen Fall nicht mehr kurzfristig geändert werden kann.



Weichen mit besonderen Aufgaben |



Schutzweiche |




Schutzweiche im Ausweichgleis des Bahnhofs Allersberg



Als Schutz- oder Entgleisweichen bezeichnet man Weichen, deren einzige Aufgabe es ist, durch ihre ablenkende Stellung zu verhindern, dass eine Zugfahrt durch andere Zug- oder Rangierfahrten gefährdet wird (Flankenfahrt). Der ablenkende Strang der Weiche führt meist in ein kurzes Stumpfgleis, das oft von einem Prellbock abgeschlossen wird. In Bahnhöfen findet man Schutzweichen z. B. als Abschluss von Kreuzungs- oder Überholgleisen sowie bei Anschlussgleisen, wenn diese ein Gefälle zum Streckengleis aufweisen.


Eine Sonderform stellen dabei Streckschutzweichen dar. Fährt ein langer Zug in ein Überholgleis ein und löst nach dem Halt die Bremsen wieder etwas, so entspannen sich die Federn in den Puffern der Wagen, was dazu führt, dass sich der Zug nach hinten hin streckt. Um zu verhindern, dass ein sich streckender Zug in das Lichtraumprofil des Nachbargleises gelangt, gibt es dann besondere Weichen, die nach Einfahrt des Zuges umgestellt werden müssen, damit das Strecken des Zuges in ein anderes Gleis erfolgt.


In den Grenzbahnhöfen der DDR wurden Schutzweichen zur Verhinderung von Fluchten aus der DDR eingesetzt. War dies aus Platzgründen nicht möglich, wurden als Sonderlösung dafür auch Gleissperren genutzt.



Auffangweiche |


Aufgabe einer Auffangweiche ist es, das Entlaufen von Fahrzeugen in eine Gefällestrecke zu verhindern. Die Weiche liegt in Grundstellung auf dem ablenkenden Strang, der, ähnlich wie bei der Schutzweiche, meist in ein kurzes Stumpfgleis mit Prellbock führt, aber im Gegensatz zu dieser im Fahrweg des Zuges liegt und erst kurz vor dem Befahren umgestellt wird. Auffangweichen findet man sowohl im Ausfahrweg des bergseitigen als auch hinter dem Einfahrsignal des talseitigen Bahnhofs.



Stellvorrichtungen |




Ortsgestellte Weiche mit Stellbock und Weichensignal




Übertragungsteile mit Doppelgestänge zum zweiten und dritten Verschluss einer deutschen EW 54-760-1:14, Vormontagezustand


Im einfachsten Fall ist eine Weiche ortsgestellt. An der Spitze der Weiche befindet sich ein Stellbock, an dem die Weiche mit Muskelkraft umgestellt wird. Dieser besteht aus dem Weichenhebel und dem Stellgewicht, das die Weiche in der jeweiligen Endlage hält. Meist ist der Stellbock mit einem Weichensignal verbunden. In der Frühzeit der Eisenbahn gab es nur ortsgestellte Weichen, die vom Lok- und Zugpersonal, von Rangierern und zur Betriebsbeschleunigung sehr bald von Handweichenwärtern gestellt wurden.


Zur Beschleunigung von Rangiervorgängen werden heute auch elektrisch ortsgestellte Weichen (EOW) verwendet.


Ferngestellte Weichen werden von einem Stellwerk aus gestellt. Die älteste Stellwerksbauform ist das mechanische Stellwerk. Bei Gestängeleitungen, die heute noch in Großbritannien, Frankreich und ehemaligen Kolonien dieser beiden Staaten verbreitet sind, genügt es, diese Leitung an die Zungenverbindungs- oder Schieberstange anzuschließen. In vielen anderen Ländern, unter anderem im deutschsprachigen Raum, setzten sich Drahtzugleitungen mehr durch. Der Weichenantrieb ist über eine Doppeldrahtzugleitung mit dem Stellhebel im Stellwerk verbunden und besteht in der Einheitsform aus einem ungleichschenkligen Winkelhebel, der die 500 Millimeter Leitungsstellweg in (im Regelfall) 220 Millimeter Stellweg der Schieberstange übersetzt. Zum mechanischen Weichenantrieb gehört eine Drahtbruchsperre, die die Weiche bei Drahtbruch in der Endlage festhält. Die Entfernung zwischen Weiche und Stellwerk ist wegen der Reibung auf etwa 450 Meter Leitungslänge begrenzt, so dass in größeren Bahnhöfen eine Vielzahl mechanischer Stellwerke zur Abwicklung des Betriebs erforderlich waren.


Der in den 1920er-Jahren erprobte pneumatische Weichenantrieb mit Druckluft setzte sich gegenüber den heute gebräuchlichen elektrischen oder elektrohydraulischen Antrieben mit einem Elektromotor an der Spitze der Weiche und Umstellung mittels elektrischer Signale nicht durch. Zuerst wurde diese Antriebsform in elektromechanischen Stellwerken verwendet. Heute werden ganze Eisenbahnstrecken oder U-Bahn-Netze von zentralen Stellwerken aus ferngesteuert.


Zu Anfang rüstete man Weichenantriebe mit Gleichstrommotoren mit getrennten Wicklungen für Rechts- und Linkslauf aus, seit den 1950er-Jahren ging man in Verbindung mit dem Bau von Gleisbildstellwerken auf Drehstrom-Asynchronmotoren über. Neben dem wartungsarmen, weil kommutatorlosem Aufbau ist die Verwendung unterschiedlicher Stromarten für Umstellung und Überwachung sicherheitserhöhend. Die Überwachungsgleichspannung kann den Motor nicht bewegen, die Stellwechselspannung kann keine fehlerhafte Ordnungsmeldung auslösen.


Als Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Weichen mit größeren Bogenradien entwickelt wurden, die mit höheren Geschwindigkeiten im abzweigenden Strang befahren werden können, mussten die deutlich längeren Zungen, um das korrekte Anliegen an der Backenschiene über die gesamte Länge zu garantieren und in der abliegenden Lage den notwendigen Abstand zur Backenschiene einzuhalten, mit zunächst zwei Weichenverschlüssen versehen werden.


Mit weiter steigendem Bogenradius stieg die Anzahl der Verschlüsse bis auf acht. Zunächst wurde der Antrieb an der Weichenspitze über Winkelhebel und Übertragungsstangen mit mehreren Schieberstangen verbunden. Mit Fortschritten in der Steuerungstechnik wurde es ab etwa Mitte der 1970er-Jahre möglich, jeden einzelnen Weichenverschluss mit einem Antrieb zu versehen und synchron zu bewegen.


Wegen des hohen Schaltungsaufwandes und der notwendigen Antriebe mit unterschiedlichen Stellwegen werden separate Antriebe für jeden Verschluss üblicherweise nur eingesetzt, wenn wie in Polar- und Wüstengebieten oder Gebirgen und Tunneln regelmäßig mit erhöhten Umstellwiderständen gerechnet werden muss. Unter normalen Umständen werden auch bei Schnellfahrweichen für 200 km/h Abzweiggeschwindigkeit für die Zungenvorrichtung nur noch zwei Antriebe mit je vier Verschlüssen eingebaut.



Zungenüberwachung |


Störungen an den Übertragungsteilen, beispielsweise Brüche von Verbindungsstangen oder Verschlussteilen, können zu Lageänderungen und damit insbesondere bei spitzbefahrenen Weichen zu Entgleisungen führen. Um das zu verhindern, wurden Einrichtungen zur Zungenüberwachung eingeführt. Die Zungenlage wird zu diesen über besondere, von der Stellvorrichtung unabhängige, Verbindungsstangen übertragen. Erreicht eine Zunge keine Endlage, wird im Stellwerk eine Störungsmeldung ausgelöst.


In Abhängigkeit von der zulässigen Geschwindigkeit und dem möglichen Verkehren von Reise- und Güterzügen werden bei mechanisch ferngestellten Weichen Zungenprüfer und Riegel eingesetzt. Zungenprüfer sind Teil des Weichenantriebes und auffahrbar. Die sicherungstechnisch höherwertigen Riegel erfordern eigene Stellhebel und Drahtzugleitungen, sind jedoch nicht auffahrbar. Auch Handweichen lassen sich durch Riegel in die Signalabhängigkeit einbeziehen.


Elektrisch gestellte Riegel verwendete man in der Anfangszeit bei elektromechanischen Stellwerken, sowohl elektromagnetisch als Bestandteil von Weichenantrieben als auch als besonderes, motorbetriebenes Gerät, insbesondere bei Handweichen. Es stellte sich aber heraus, dass Zungenprüfer bei elektrischen Antrieben mit weniger Aufwand dasselbe Sicherheitsniveau gewährleisten und gleichzeitig auffahrbar sind. Handweichen bei elektrischen Stellwerken sind kostengünstiger durch Schlüsselabhängigkeit zu sichern. Deshalb sind in elektrischen Weichenantrieben nur noch Zungenprüfer gebräuchlich.


Weichen mit großen Bogenradien und mehreren Weichenverschlüssen erhalten zunehmend einen oder mehrere zusätzliche Zungenprüfkontakte, um die Endlage über die gesamte Zungenlänge zu überwachen. Mechanische Mittelriegel bzw. -prüfer sind möglich, aber sehr selten. Wegen des großen Umstellwiderstandes sind solche Weichen in der Regel mechanisch nicht beherrschbar und müssen elektrische Antriebe erhalten, auch in mechanischen Stellwerksbezirken. Bei Rückfallweichen wird durch einen elektrischen Zungenprüfkontakt an der Weichenspitze das Überwachungssignal gesteuert.


Nichtauffahrbare Weichen, also solche mit beweglichen Herzstückspitzen oder Flügelschienen sowie mit nichtauffahrbaren Antrieben für Geschwindigkeiten über 160 km/h ausgerüstete erhalten eine Auffahrortungseinrichtung, die bereits eine Auffahrmeldung auslöst, wenn ein Fahrzeug auf die falsch liegende Weiche zuläuft.



Steuerung bei Straßenbahnen |




Eingedeckter Antrieb für bewegliche Doppelherzstückspitzen in Zwickau Stadthalle, Bauzustand Februar 1999


In klassischen Straßenbahnnetzen gibt es in der Regel eine vom Triebwagenfahrer bzw. durch den Bordrechner des Fahrzeugs oder das Betriebsleitsystem betätigte Weichensteuerung. Normalerweise wird die Weiche dabei automatisch anhand der am Bordrechner eingestellten Linien- oder Kursnummer geschaltet. Der Fahrer hat in der Regel zusätzlich die Möglichkeit manuell eine andere Fahrtrichtung vorzugeben, um beispielsweise bei Betriebsstörungen eine Ausweichroute fahren zu können. Im Störungsfall oder bei Rangierfahrten können die Weichen auch von Hand mittels eines im oder am Triebwagen mitgeführten Weichenstelleisens umgestellt werden. Straßenbahnweichen, die im Regelbetrieb nur stumpf befahren werden, sind in der Regel Rückfallweichen.


Bis Mitte der 1990er-Jahre war es vielfach üblich, Weichen mit der Fahrleitungsspannung umzustellen. Die Weichenantriebe bestanden dazu aus einer Zugspule („Solenoid“) mit einem beweglichen Anker und einer Feder, die über Hebel ein Kippverhalten erzeugte. Neben dem Fahrdraht wurde vor der jeweiligen Weiche ein dagegen isolierter und etwas tiefer hängender Schleifkontakt eingebaut. Der Zugmagnet des Weichenantriebes lag zwischen dem Fahrdraht und dem Schleifkontakt. Befuhr man den Schleifkontakt mit einer definierten Stromaufnahme, üblich war die erste Fahrstufe, floss der Oberstrom von der Fahrleitung über den Zugmagnet des Weichenantriebes zum Fahrleitungskontakt und von dort über Fahrschalter, Widerstände und Fahrmotoren zum Gleis. Der Zugmagnet zog den Anker an, durch die Masseträgheit und unterstützt durch die Festhaltefeder lief der Antrieb in die andere Endlage. Sollte die Weiche nicht umgestellt werden, befuhr man den Kontakt mit dem Fahrschalter in Nullstellung. In einigen Städten hatten die Weichen auch Vorzugslagen, dann wurde beispielsweise in Rechtslage immer stromlos und in Linkslage mit Stromfluss gefahren. Problematisch wurde das Verfahren durch zusätzliche Verbraucher wie Licht, Heizung, Umformer, Klimaanlage oder die Bremsstromrückspeisung. Der dadurch fließende Strom konnte zum Umstellen einer Weiche ausreichen. Anfangs mussten die Triebwagenführer die Nebenverbraucher einzeln ausschalten, später wurde dafür Schütze eingebaut. An Stelle des ersten Fahrkontaktes des Fahrschalters wurde außerdem ein definierter Widerstand zwischen Stromabnehmer und Gleis eingeschaltet.


Musste ein Fahrzeug im Bereich eines Fahrleitungskontaktes anfahren, dann war es nicht zu vermeiden, dass sich die zugehörige Weiche umstellte. Hier war dann der Einsatz von Vorsortierweichen nötig. Mehrere Triebwagen im Zug mit angelegten Stromabnehmern verschärften das Problem und führten schließlich zum Verbot von oberstromabhängigen Weichenschaltungen.


Seit 1996 darf in Deutschland die Weichensteuerung wegen der Fehleranfälligkeit daher nicht mehr von der Stromaufnahme des Wagens abhängen. Moderne Steuerungen arbeiten mit induktiver Meldeübertragung, Funk- oder Infrarotsteuerung. Weichenantriebe für den Einsatz im Straßenraum befinden sich meist im Gleis, gelegentlich auch daneben, jedoch immer mit befahrbarer Abdeckung auf Fahrbahnhöhe. Die Stellwege und Zungenaufschläge sind im Vergleich zu Fernbahnverhältnissen deutlich kleiner, damit die Fahrbahndecke sicher befahr- und begehbar bleibt.


Auf unabhängigen Bahnkörpern erfolgt die Weichensteuerung mitunter, bei Stadt- und U-Bahn-Netzen generell vergleichbar mit Eisenbahnnetzen von Stellwerken mit Fahrstraßensicherung. Weichenantriebe und -verschlüsse entsprechen dann in der Regel den bei Eisenbahnen üblichen Bauarten.



Befahrungsweisen |




Gleiswechsel
links: spitz befahren (zwei Linksweichen)
rechts: stumpf befahrener (zwei Rechtsweichen)




links: regulärer Gleiswechsel
rechts: Kletterweiche


Eine Weiche wird entweder



  • spitz (Anfahrt auf die Weichenspitze zu mit der Möglichkeit, sich für links oder rechts zu entscheiden) oder

  • stumpf (Gegenrichtung, ohne derartige Auswahlmöglichkeit) befahren.


Bei zweigleisigen Strecken mit Vorzugsfahrtrichtung (Rechtsverkehr in Deutschland) führen auch Gleiswechselbereiche von Überleitstellen eine entsprechende Nomenklatur. Die dabei verwirrende Bezeichnung Gleiswechsel beinhaltet lediglich die Möglichkeit, nicht die Notwendigkeit desselben.


In Straßenbahnnetzen wurden häufig stumpf befahrene Gleiswechsel eingebaut, weil bei diesen die Gefahr einer Entgleisung geringer ist, und vor allem, damit keine Gefahr einer unbeabsichtigten Flankenfahrt besteht. Zu einer derartigen Flankenfahrt oder Entgleisung kann es dann kommen, wenn z. B. die Weichenzunge aufgrund von Fremdkörpern nicht korrekt anliegt und zumindest eine Achse den falschen Fahrweg nimmt. Bei Weichen mit Weichenantrieben in Eisenbahnbauart kommt es wegen der im Vergleich zu Straßenbahnantrieben größeren Zungenaufschläge zur Entgleisung, wenn ein Fahrzeug von der Spitze her in den Umstellvorgang hineinläuft. Dieser Vorgang wird als zweispurig fahren oder Gabelfahrt bezeichnet.


Um bei einer Baustelle während der Reparatur oder Erneuerung einer Straßenbahnstrecke Spitzkehrenfahrten zu vermeiden, wird das intakte Gleis in beiden Richtungen befahren. Dafür wird vor der Baustelle eine Gleisverbindung mit einer Kletterweiche aufgelegt, über die die Straßenbahn vom Baustellengleis auf das Gleis der Gegenrichtung wechseln kann. Hinter der Baustelle wird der fest eingebaute, jetzt spitz befahrene Gleiswechsel befahren, um wieder zurück auf das ursprünglich befahrene Gleis zu gelangen.



Weichenrekorde |




Mit einem Radius von bis zu 16.000 m gelten die beiden 1998 im Bahnhof von Bitterfeld eingebauten Weichen vom Typ EW 60-16000/6100-1:40,15 als die längsten und schnellstbefahrbaren Weichen in Deutschland.


Die zurzeit größten Weichen Deutschlands liegen auf der Strecke Leipzig–Berlin im Bahnhof Bitterfeld, sie dienen der Trennung in Richtung Halle und Leipzig und waren damals die größten Weichen der Welt. Der Radius des abzweigenden Stranges dieser Klothoidenweichen vom Typ EW 60-16000/6100-1:40,15 verkleinert sich von anfangs etwa 16.000 Metern zur Weichenmitte hin auf 6100 Meter und steigt anschließend wieder auf den Ausgangswert an. Acht Antriebe sind zum Umstellen der Zungen und weitere drei Antriebe zum Umstellen der Herzstückspitze erforderlich. Die Gesamtlänge dieser planmäßig abzweigend mit 200 km/h befahrenen Weichen liegt bei je 169,2 Metern. Sie sind bis heute (Stand: 2011) die längsten Weichen im Netz der Deutschen Bahn. Die erste der beiden Weichen, die Weiche 61, wurde im Januar 1998 südlich der Bahnsteige eingebaut. 1999 folgte mit der Weiche 03 eine zweite Weiche (51° 38′ 6,2″ N, 12° 19′ 11″ O51.63506212.31972) ähnlichen Ausmaßes im nördlichen Bahnhofskopf. Beide sind Linksweichen.


An der Abzweigstelle Saalbach der Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart (Inbetriebnahme: 1987) sowie am Abzweig zur Nantenbacher Kurve der Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg (1994) kamen erstmals mit 200 km/h abzweigend befahrbare Weichen in Deutschland zum Einsatz. Die Korbbogenweichen EW 60-7000/6000-1:42 wurden neu entwickelt und sind insgesamt 154 Meter lang und 210 Tonnen schwer, der Radius beträgt im Bereich der Zungen 7000 Meter und etwa ab Weichenmitte 6000 Meter. Die Länge der Zungen liegt bei 56 Metern.[28]


Diese sechs Weichen sind heute die im abzweigenden Strang schnellstbefahrenen Weichen in Deutschland. Zwei weitere abzweigend mit 200 km/h befahrbare Weichen (EW 60-16000/6100) entstanden bis Ende 2010 zur Einbindung der Verbindungskurve Weißig–Böhla in die Bahnstrecke Berlin–Dresden.


Auf der Schnellfahrstrecke Madrid–Barcelona–Französische Grenze kommen inzwischen, vor allem an Überleitstellen, insgesamt 136 noch größere Weichen zum Einsatz (EW 60-17000/7300-1:50). Der Radius der 180 Meter langen und planmäßig mit 220 km/h abzweigend befahrbaren Konstruktionen liegt zwischen 7.300 und 17.000 Metern.[29]


Im Juni 2001 gingen mit der LGV Méditerranée an der Abzweigstelle Les Angles (Relation Paris–Montpellier) mit 220 km/h abzweigend befahrbare Weichen in Betrieb.[30]


Die weltweit schnellstbefahrene Weiche liegt auf der LGV Est européenne und wurde im Rahmen der Rekordfahrt V150 am 3. April 2007 mit 560 km/h im Stammgleis befahren.[31]



Literatur |



  • Gerhard Müller: Weichen-Handbuch. 4., bearbeitete und ergänzte Auflage. Transpress-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991, ISBN 3-344-70733-7.

  • Volker Matthews: Bahnbau. (Mit 57 Tabellen). 6., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Lehrbuch, Bauwesen. Teubner, Wiesbaden 2003, ISBN 3-519-50113-9.

  • Günter Berg, Horst Henker: Weichen. 2. Auflage. transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1986, ISBN 3-344-00041-1.

  • Joachim Fiedler: Bahnwesen. Planung, Bau und Betrieb von Eisenbahnen, S-, U-, Stadt- und Straßenbahnen. 5., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Werner, Düsseldorf 2005, ISBN 3-8041-1612-4.

  • Max Schmid v. Schmidsfelden: Weiche mit ununterbrochenem Hauptgeleise für Abzweigung von Industriebahnen. In: Paul Kortz (Red.): Zeitschrift des Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines. Band 49.1897, Heft 45. Österreichischer Ingenieur- und Architektenverein, Wien 1897, ZDB-ID 2534647-7, S. 607 ff. – Volltext online (PDF; 13,2 MiB).



Weblinks |



 Commons: Weiche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Weichen. In: Viktor von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10: Übergangsbrücken–Zwischenstation. 2. Auflage, Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1923, S. 310 ff.



  • gleisbau-welt.de

  • oberbauhandbuch.de



Einzelnachweise |




  1. John Curr: The Coal Viewer, and the Engine Builder's Practical Companion. John Northall, 1797.


  2. Friedrich Kluge, Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 23. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, 1995, Eintrag Weiche.


  3. ab K. G. Baur: Neue Weichen für schnelle Züge. In: Eisenbahn-Kurier. Nr. 199, 4, 1989, ISSN 0170-5288, S. 38 f.


  4. Peter Münchschwander (Hrsg.): Das Hochgeschwindigkeitssystem der Deutschen Bundesbahn. R. v. Decker's Verlag G. Schenk, Heidelberg 1990, ISBN 3-7685-3089-2, S. 86.


  5. Wie Weichen gestärkt werden. In: DB Welt. Nr. 7, Juli 2015, S. 14. 


  6. Zukunft Bahn – Gemeinsam für mehr Qualität, mehr Kunden, mehr Erfolg. Deutsche Bahn AG, Berlin, Oktober 2015, S. 20, archiviert vom Original am 1. Januar 2016; abgerufen am 27. Dezember 2017 (PDF). 


  7. Die Weiche meldet sich krank. In: DB Welt. Nr. 10, Oktober 2016, S. 6. 


  8. Mut zur Veränderung lässt alle gewinnen. In: DB Welt. Nr. 11, November 2016, S. 7. 


  9. Adolf Bloss: Oberbau und Gleisverbindungen. Handbibliothek für Bauingenieure, II. Teil: Eisenbahnwesen und Städtebau, 4. Band. Berlin, Springer 1927, S. 131 ff. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche, abgerufen am 10. Oktober 2016.


  10. voestalpine BWG GmbH: FAKOP® Fahrkinematische Optimierung (PDF; 330 KiB) Broschüre(4 Seiten).


  11. marjorie-wiki: WITEC


  12. Herzstück. In: Viktor von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6: Güterverkehr–Krisen. 2. Auflage, Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1914, S. 186-187.


  13. Spezial-Weichen aus Bainit für höchste Ansprüche. Deutsche Bahn AG, 15. Oktober 2012, archiviert vom Original am 21. Januar 2013; abgerufen am 24. Oktober 2012. 


  14. Theophil Rahn: Schienenschnellverkehr – eine Herausforderung und Notwendigkeit für die neue Bahn. In: Rolf Kracke (Hrsg.): Eisenbahn auf neuen Wegen – Forschung und Innovation für den Schienenverkehr der Zukunft (Wissenschaftliche Arbeiten, Nr. 30), Institut für Verkehrswesen, Eisenbahnbau und -betrieb der Universität Hannover, Hannover, 1987.


  15. Weichenheizungen bei der Deutschen Bahn AG. In: Deine Bahn, Heft 1/2010, S. 51–56, ISSN 0948-7263.


  16. Weichenwerk mit sehr bewegter Geschichte. In: DB Welt. Nr. 3, März 2008, S. 3. 


  17. Manfred Köhler: Mit Herz und Zunge. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 13, 16. Januar 2016, ISSN 0174-4909, S. 41 (faz.net). 


  18. Bahnzahlen. In: mobil. Januar 2013, S. 37.


  19. ab Walter von Andrian: Weichen als Teil der Ursachenkette für Entgleisungen?. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 3/2018. Minirex, ISSN 1022-7113, S. 136–137.


  20. ab Otto Morgenschweis: Weichen für Schienen-Schnellverkehr. In: Der Eisenbahningenieur. Band 28, Nr. 3, März 1977, ISSN 0013-2810, S. 101–107. 


  21. ab voestalpine, Referenzen Hochgeschwindigkeit


  22. Abbildung einer Doppel-Schleppweiche der Ffestiniog Railway


  23. Peter Pfenniger: Neue spezielle biegbare Zahnstangenweiche RIGI-VTW 2000. Rigi Bahnen, Februar 2001, abgerufen am 15. Juli 2017 (PDF). 


  24. Rudolf Breimeier, S. 11, 22f.


  25. Zungenlose Weiche bei einer japanischen Pferdebahn.


  26. Bergung abgestellter Dampfloks mittels Kletterweiche


  27. Technische Details der Standseilbahn Weißer Hirsch in Dresden


  28. Lothar Friedrich, Albert Bindinger: Die Komponenten des Fahrwegs für das ICE-System in der Bewährung. In: Eisenbahntechnische Rundschau, 1992, Heft 6, S. 391–396, ISSN 0013-2845.


  29. Hubertus Höhne: Schienentechnik der HGV-Strecke Madrid – Grenze Frankreich. In: Der Eisenbahningenieur. Band 54, Nr. 12, 2003, ISSN 0013-2810, S. 37–42. Online. Archiviert vom Original am 27. September 2007; abgerufen am 27. Dezember 2017 (PDF; 445 KiB). 


  30. Sven Andersen: Verkehrshalte an der TGV-Strecke Paris – Marseille. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 12/2001, ISSN 1421-2811, S. 557–561.


  31. Vossloh AG: vossloh: understanding mobility. Broschüre (16 Seiten). S. 6







Dieser Artikel wurde am 28. Mai 2006 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.



Popular posts from this blog

Statuo de Libereco

Tanganjiko

Liste der Baudenkmäler in Enneberg