Stochastik




Die Stochastik (von altgriechisch στοχαστικὴ τέχνη stochastikē technē, lateinisch ars conjectandi, also ‚Kunst des Vermutens‘, ‚Ratekunst‘) ist ein Teilgebiet der Mathematik und fasst als Oberbegriff die Gebiete Wahrscheinlichkeitstheorie und Mathematische Statistik zusammen. Als stochastisch werden Ereignisse oder Ergebnisse bezeichnet, die bei Wiederholung desselben Vorgangs nicht immer, bisweilen sogar nur manchmal eintreten und deren Eintreten für den Einzelfall nicht vorhersagbar ist.


Die historischen Aspekte werden im Artikel Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung dargestellt.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Überblick


  • 2 Wahrscheinlichkeiten und Zufallsexperimente


    • 2.1 Angabe von Wahrscheinlichkeiten


    • 2.2 Wahrscheinlichkeiten Null und Eins – unmögliche und sichere Ereignisse


    • 2.3 Integritätsbedingungen, Axiomensystem


    • 2.4 Laplace-Experimente


    • 2.5 Wahrscheinlichkeitstheorie




  • 3 Kombinatorik


  • 4 Spieltheorie


  • 5 Statistik


  • 6 Weitere Begriffe aus der Stochastik, Beispiele


  • 7 Weblinks





Überblick |


Mathematische Stochastik beschäftigt sich mit der Beschreibung und Untersuchung von Zufallsexperimenten wie zum Beispiel dem Werfen von Reißzwecken, Würfeln oder Münzen sowie vom Zufall beeinflussten zeitlichen Entwicklungen und räumlichen Strukturen.


Solche Ereignisse, Entwicklungen und Strukturen werden oft durch Daten dokumentiert, für deren Analyse die Statistik geeignete Methoden bereitstellt. In diesem Fall entstehen die zufälligen Einflüsse in der Regel im Rahmen der zufälligen Auswahl einer Stichprobe aus einer eigentlich interessierenden Grundgesamtheit.


Insgesamt beinhaltet damit die Stochastik ein Spektrum an Methoden, mit denen man sowohl die Wahrscheinlichkeit für Lottogewinne oder die Größe der Unsicherheit bei Meinungsumfragen bestimmen kann. Die Stochastik ist auch für die Finanzmathematik von Bedeutung und hilft mit ihrer Methodik beispielsweise bei der Preisfindung für Optionen.



Wahrscheinlichkeiten und Zufallsexperimente |



Unter einer Prognose versteht man:



  • ein Maß für die Unsicherheit zukünftiger Ereignisse,

  • ein Maß für den Grad an persönlicher Überzeugung (Bayesscher Wahrscheinlichkeitsbegriff), also letztlich eine Erweiterung der Aussagenlogik.



Angabe von Wahrscheinlichkeiten |


Wahrscheinlichkeiten werden mit dem Buchstaben  P{displaystyle P} (von frz. probabilité, eingeführt von Laplace) oder  W{displaystyle W} dargestellt. Sie tragen keine Einheit, sondern sind Zahlen zwischen null und eins, wobei auch null und eins zulässige Wahrscheinlichkeiten sind. Deshalb können sie als Prozentangaben (20 %), Dezimalzahlen (0,2{displaystyle 0{,}2}), Brüche (210{displaystyle {tfrac {2}{10}}}), Quoten (2 von 10 beziehungsweise 1 von 5) oder Verhältniszahlen (1 zu 4) angegeben werden (alle Angaben beschreiben dieselbe Wahrscheinlichkeit).


Häufig treten Missverständnisse auf, wenn nicht richtig zwischen „zu“ und „von“ unterschieden wird: „1 zu 4“ bedeutet, dass dem einen gewünschten Ereignis 4 ungewünschte Ereignisse gegenüberstehen. Damit gibt es 5 Ereignisse, von denen eins das Gewünschte ist, also „1 von 5“.


Führt man ein Zufallsexperiment mehrmals hintereinander durch, so kann die relative Häufigkeit eines Ereignisses errechnet werden, indem man die absolute Häufigkeit, also die Anzahl geglückter Versuche, durch die Anzahl der unternommenen Versuche dividiert. Für eine unendliche Anzahl von Versuchen geht diese relative Häufigkeit in die Wahrscheinlichkeit über. In der Praxis wird die Anzahl der für eine annehmbare Übereinstimmung von relativer Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit nötigen Versuche oft unterschätzt.



Wahrscheinlichkeiten Null und Eins – unmögliche und sichere Ereignisse |


Dass einem Ereignis die Wahrscheinlichkeit Null zugeordnet wird, heißt nur dann, dass dessen Eintritt prinzipiell unmöglich ist, wenn es nur endlich viele verschiedene Versuchsausgänge gibt.


Dies wird durch folgendes Beispiel veranschaulicht: In einem Zufallsexperiment wird eine beliebige reelle Zahl zwischen 0 und 1 gezogen. Es wird davon ausgegangen, dass jede Zahl gleich wahrscheinlich sei – es wird also die Gleichverteilung auf dem Intervall [0,1]{displaystyle [0,1]} vorausgesetzt. Dann ist, da es in dem Intervall unendlich viele Zahlen gibt, für jede einzelne Zahl aus dem Intervall die Eintrittswahrscheinlichkeit gleich null, dennoch ist jede Zahl aus [0,1]{displaystyle [0,1]} als Ziehungsergebnis möglich.


Ein unmögliches Ereignis ist im Rahmen dieses Beispiels etwa die Ziehung der 2, also das Elementarereignis {2}{displaystyle {2}}.


Ein Ereignis wird „sicher“ genannt, wenn es die Wahrscheinlichkeit 1 hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein unmögliches Ereignis nicht eintritt, ist 1 und es handelt sich um ein sicheres Ereignis. Ein Beispiel für ein sicheres Ereignis beim Würfeln mit einem sechsseitigen Würfel ist das Ereignis „es wird keine Sieben gewürfelt“.



Integritätsbedingungen, Axiomensystem |


Grundsätzliche Annahmen der Stochastik sind in den Kolmogorov-Axiomen nach Andrei Kolmogorov beschrieben. Aus diesen und ihren Folgerungen lässt sich schließen, dass:


Die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses, das alle möglichen Versuchsausgänge umfasst, ist 1{displaystyle 1}:


 P(Ω)=1.{displaystyle P(Omega )=1.}

Die Wahrscheinlichkeit eines unmöglichen Ereignisses ist 0{displaystyle 0}:


P(∅)=0.{displaystyle P(emptyset )=0.}

Alle Wahrscheinlichkeiten liegen zwischen einschließlich null und eins:


0≤P(A)≤1.{displaystyle 0leq P(A)leq 1.}

Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses und die seines Nichteintretens addieren sich zu Eins:


P(A)+P(A¯)=1.{displaystyle P(A)+P({bar {A}})=1.}

In einem vollständigen System von Ereignissen Ai{displaystyle A_{i}} (hierfür müssen alle Ai{displaystyle A_{i}} paarweise disjunkt sein und ihre Vereinigungsmenge gleich Ω{displaystyle Omega } sein) ist die Summe der Wahrscheinlichkeiten gleich 1{displaystyle 1}:


i=1nP(Ai)=1.{displaystyle sum _{i=1}^{n}P(A_{i})=1.}


Laplace-Experimente |



Als Laplace-Experimente, benannt nach dem Mathematiker Pierre-Simon Laplace, werden Zufallsexperimente bezeichnet, für die die folgenden beiden Punkte erfüllt sind:



  • Es gibt nur endlich viele mögliche Versuchsausgänge.

  • Alle möglichen Ausgänge sind gleich wahrscheinlich.


Einfache Beispiele für Laplace-Experimente sind das Würfeln, das Werfen einer Münze (wenn man davon absieht, dass sie auf dem Rand stehen bleiben kann) und die Ziehung der Lottozahlen.


Die Wahrscheinlichkeit P{displaystyle P} eines Laplace-Experimentes berechnet sich nach


P(E)=Anzahl der für das Ergebnis günstigen VersuchsausgängeAnzahl der möglichen Versuchsausgänge{displaystyle P(E)={frac {text{Anzahl der für das Ergebnis günstigen Versuchsausgänge}}{text{Anzahl der möglichen Versuchsausgänge}}},}


Wahrscheinlichkeitstheorie |




  • Zufallsvariable


  • Wahrscheinlichkeitsverteilungen (Gleichverteilung, Normalverteilung, Exponentialverteilung, Binomialverteilung, Bernoulli-Verteilung, hypergeometrische Verteilung, Poisson-Verteilung, Mischverteilung)


  • Wahrscheinlichkeitsdichte, Verteilungsfunktion



Kombinatorik |



Kombinatorik ist ein Teilgebiet der Mathematik, das sich mit der Bestimmung der Zahl möglicher Anordnungen oder Auswahlen von



  • unterscheidbaren oder nicht unterscheidbaren Objekten

  • mit oder ohne Beachtung der Reihenfolge


beschäftigt. In der modernen Kombinatorik werden diese Probleme umformuliert als Abbildungen, sodass sich die Aufgabe der Kombinatorik im Wesentlichen darauf beschränken kann, diese Abbildungen zu zählen.



Spieltheorie |



Die Spieltheorie ist ein Teilgebiet der Mathematik, das sich damit befasst, Systeme mit mehreren Akteuren (Spieler, Agenten) zu analysieren. Die Spieltheorie versucht dabei unter anderem, das rationale Entscheidungsverhalten in sozialen Konfliktsituationen abzuleiten. Die Stochastik kommt dafür an verschiedenen Stellen zum Tragen. Zum einen bei Spielen wie dem Kampf der Geschlechter, bei denen die bestmögliche Strategie darin besteht, eine Entscheidung zufällig zu treffen. Zum anderen befasst sich die Spieltheorie auch mit den Systemen, in denen die Akteure nicht die komplette Situation kennen, das heißt, sie verfügen nicht über vollständige Information. Dann müssen sie eine optimale Spielstrategie auf Grundlage ihrer Vermutungen wählen.



Statistik |



Statistik ist eine auf Mathematik basierende Methodik zur Analyse quantitativer Daten. Dabei verbindet sie empirische Daten mit theoretischen Modellen.



Weitere Begriffe aus der Stochastik, Beispiele |



  • Zufall

  • Starkes Gesetz der großen Zahlen

  • Schwaches Gesetz der großen Zahlen

  • Gesetz der kleinen Zahlen

  • Wahrscheinlichkeit

  • bedingte Wahrscheinlichkeit

  • Erwartungswert

  • Stochastisch unabhängige Ereignisse

  • Stochastisch unabhängige Zufallsvariablen

  • Stochastischer Prozess

  • Markow-Kette


Siehe auch, Anwendungsbeispiele



  • Teilungsproblem


  • Ziegenproblem, auch als „Drei-Türen-Problem“ bekannt.


  • Formelsammlung Stochastik


Weblinks |



 Wiktionary: Stochastik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


 Wikiversity: Stochastik – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher Austausch



  • Literatur über Stochastik im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek


  • Kurzbeschreibung des Begriffes Stochastik (Memento vom 17. März 2013 im Internet Archive)









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