Leprakolonie







Spinalonga vor Kreta, bis 1957 eine der letzten Leprakolonien in Europa


In einer Leprakolonie (auch Leprosorium oder Leprosenhaus) wurden vom Mittelalter bis in die Neuzeit an Lepra Erkrankte vom Rest der Bevölkerung isoliert, um eine Weiterverbreitung der Krankheit zu verhindern.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Geschichte der Leprosorien


  • 2 Lage der Leprakolonien und Versorgung der Kranken


  • 3 Leprakolonien in Deutschland


  • 4 Liste von Leprosorien


  • 5 Siehe auch


  • 6 Weblinks


  • 7 Einzelnachweise





Geschichte der Leprosorien |




Das Gut Melaten vor den Toren Aachens ist ein Beispiel für ein Leprosorium, das als Siechenhaus genutzt wurde


Die Reinheitsgesetze im Alttestamentlichen Buch Levitikus 13,46 beschreiben wie sich der vom Priester als unrein Erklärte, gottgewollt zu verhalten hat: Der Aussätzige... soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungepflegt lassen, er soll den Bart verhüllen und ausrufen „Unrein, Unrein“...Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten. Der daraus resultierende Glaube an die Schuldhaftigkeit der Erkrankten bewirkte in den Christlichen Ländern in späterer Zeit die besonderen Maßnahmen.[1]


Schon in der Antike wurden durch Hautkrankheiten Entstellte von der Gemeinschaft ausgestoßen und man wendete den Blick ab aus Furcht vor Ansteckung.


Im Jahre 583 beschloss ein Bischofskonzil in Lyon die Einrichtung der ersten Leprosorien. Durch diese Häuser sollten Aussätzige isoliert werden und außerhalb von Klöstern und Städten leben. Den Befund erstellten ein Priester und ein Arzt, die dann die Erkrankten in die Leprosorien einwiesen. Die ältesten Leprosorien in Mitteleuropa standen in Metz, Verdun und Maastricht. Das Dritte Laterankonzil beschloss 1179, dass es Leprakolonien erlaubt sein solle, eigene Kapellen und Kirchen zu errichten und eigene Priester zu haben, solange sie andere Pfarreien nicht beeinträchtigen. Sie wurden außerdem vom Zehnt befreit.[2] Bis dahin waren die Leprosorien im Heiligen Römischen Reich auf die Bischofsstädte im Westen beschränkt gewesen. Aussätzige in anderen Gegenden hatte man sich selbst überlassen. Der Beschluss des Laterankonzils legte die Grundlage für eine Etablierung des Leprosenwesens. Mit dem Aufblühen der Städte im 12. Jahrhundert und dem allgemeinen Bevölkerungswachstum bis ins 13. Jahrhundert nahm die Zahl der Leprakranken zu. Darüber hinaus förderten die Enge der Städte und die oft mangelhaften hygienischen Verhältnisse die Verbreitung von Infektionskrankheiten.[3] Die Leprosorien wurden in der „seuchenfreien“ Zeit oft zu Krankenhäusern umfunktioniert und dienten den ärmeren Bevölkerungsschichten als Hospiz.[4] Leprosorien wurden auch „Siechenhaus“ genannt. Siech bedeutete im Mittelhochdeutschen ‚krank‘, ‚siech‘ oder ‚aussätzig‘, hatte also sehr allgemeine Bedeutung, wurde jedoch im Spätmittelhochdeutschen teilweise durch das Wort „krank“ verdrängt.[5][6] Siechenhaus war ein Oberbegriff für Seuchenhospitäler, für Leprosorien und die im späten 14. Jahrhundert aufkommenden Pesthäuser. Die Leprosorien standen zumeist an großen Ausfallstraßen, während die Pesthäuser völlig isoliert standen.[7] Die letzte Leprakolonie Europas war in Tichilești am Rande des Donau-Deltas in Rumänien mit 19 Bewohnern im Jahre 2011.[8]



Lage der Leprakolonien und Versorgung der Kranken |




Küste von Molokaʻi (Hawai) mit Blick auf die Leprakolonie


Ursprünglich waren die Leprosorien isoliert stehende Holzhütten. Dann waren es oft mehrere Hütten um eine Kapelle. Später befanden sie sich oft in noch isolierterer Lage, etwa auf Inseln wie Molokaʻi oder auch an verkehrsreichen Straßen oder Pilgerwegen, damit die Kranken, deren einzige Einnahmequelle die Mildtätigkeit ihrer Mitbürger war, bessere Möglichkeiten zum Betteln vorfanden.


Die Versorgung der Kranken oblag in erster Linie der Kirche, die sich um Nahrung und Kleidung für die Kranken kümmerte. Damit die Kranken als solche erkannt wurden, mussten sie besondere Kleidung tragen, häufig auch Hörner, Schellen oder Klappern.



Leprakolonien in Deutschland |




Küche des Leprosenhauses in Bad Wurzach


Das Leprosorium St. Jost in Trier wurde 1283 erstmals urkundlich erwähnt. Diese Leprakolonie hatte einen eigenen Friedhof, der Leprosenfriedhof heißt. Das Leprosenhaus in Bad Wurzach wurde 1355 erstmals urkundlich erwähnt. Vor den Toren Münsters an der alten Handelsstraße von Münster nach Friesland existierte ein Heim für Leprakranke, das kinderen hus (‚Kinderhaus‘) genannt wurde. Heute ist das die Bezeichnung eines Stadtteils von Münster. Die Existenz des Heims ist seit 1586 belegt. Heute erinnert das einzige Lepramuseum Deutschlands an dieses Leprosorium sowie an die Geschichte und Bekämpfung der Leprakrankheit. Der Siechhof von Eichstätt gilt als einzige komplett erhaltene spätmittelalterliche Anlage eines Leprosoriums.


In Essen, Stadtteil Rüttenscheid, bestand ebenso ein Leprosorium; hier ist die im 15. Jahrhundert gebaute Siechenkapelle auch heute noch zu besichtigen. Das Leprosenhaus in Kaufbeuren dient heute als Pflegeheim.


In einigen Städten Deutschlands sind auch Rosenstraßen von Lep-rosen etymologisch abgeleitet.



Liste von Leprosorien |




  • Gut Melaten in Aachen


  • St. Nikolaus vor dem Gelbinger Tor in Schwäbisch Hall


  • St. Jost in Trier


  • Leprosenhaus in Bad Wurzach

  • Siechhof Eichstätt


  • Behkadeh Raji, 1961 im Iran als sich selbst versorgende Dorfgemeinschaft errichtet



Siehe auch |



  • Hagioskop (Lepraspalte) in Kirchen


Weblinks |



 Commons: Leprakolonien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


 Wiktionary: Leprosenhaus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

  • Mittelalterliche Leprosorien auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland


Einzelnachweise |




  1. Dissertation Antje Schelberg 2001, Leprosen in der mittelalterlichen Gesellschaft (PDF; 2,6 MB)


  2. III Lateran Council. Canon 23. In: IntraText digital library. Abgerufen am 19. Oktober 2012 (englisch). 


  3. Kathrin Apel: Caritas und memoria. Das Hospitalwesen der Stadt Kassel im späten Mittelalter. 2006, S. 43, abgerufen am 19. Oktober 2012 (pdf; 443 kB). 


  4. Stefanie Moser: Das Spital Waidhofen an der Ybbs in der Frühen Neuzeit. Rekonstruktion des Spitalalltags anhand von Rechnungsbüchern. S. 12, abgerufen am 19. Oktober 2012 (pdf; 901 kB). 


  5. Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 34. Auflage. S. Hirzel, Leipzig 1974, ISBN 3-7776-0269-8, S. 193. 


  6. Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. In: Duden in 10 Bänden. 2. Auflage. Band 7. Bibliographisches Institut, Mannheim 1989, ISBN 3-411-00907-1, S. 643. 


  7. Friedrich Bernward Fahlbusch: Siechenhaus. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 7, LexMA-Verlag, München 1995, ISBN 3-7608-8907-7, Sp. 1844.


  8. Das letzte Leprosorium Europas (Memento vom 12. Januar 2013 im Internet Archive) vom 12. September 2011, abgerufen am 29. Juni 2015









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