Deutsches Ausland-Institut






Das Haus des Deutschtums in Stuttgart war seit 1925 Sitz des DAI


Das Deutsche Ausland-Institut (DAI) wurde am 10. Januar 1917 als „Museum und Institut zur Kunde des Auslandsdeutschtums und zur Förderung deutscher Interessen im Ausland“ vom Unternehmer Theodor Wanner in Stuttgart gegründet. Neben seiner Hauptaufgabe – der umfassenden Dokumentation aller deutschen Volkstumsgruppen im Ausland – widmete es sich der Beratung und Betreuung Auswanderwilliger. Es wurde überwiegend vom Reichsinnenministerium finanziert, daneben vom Außenministerium, zu kleineren Teilen vom Land Württemberg und der Stadt Stuttgart. Beim DAI wurden die Zeitschriften „Der Auslanddeutsche. Halbmonatsschrift für Auslanddeutschtum und Auslandkunde“[1] sowie eine „Schriftenreihe des deutschen Auslandsinstituts“ herausgegeben. Das Institut stand bis zur Übernahme durch die Nationalsozialisten in der Tradition des Liberalismus auf dem Boden der Weimarer Republik.[2]




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Zeit des Nationalsozialismus


  • 2 Literatur


  • 3 Weblinks


  • 4 Einzelnachweise





Zeit des Nationalsozialismus |


Am 8. März 1933 war der Generalsekretär des DAI, Fritz Wertheimer,[3] seit 1918 Generalsekretär des DAI, durch die örtliche SA der Zutritt zum DAI aufgrund Wertheimers jüdischer Abstammung verwehrt worden. Der von NS-Kreisen ebenso abgelehnte Vorstandsvorsitzende des DAI, Theodor Wanner, war wiederum am 13. März 1933 in seiner Wohnung überfallen worden.[4][5] In den folgenden zehn Tagen war Wertheimer auf einer geplanten Vortragsreise, bei der er, diesmal in Wilhelmshaven und Kiel vor Admiralen der Reichsmarine, routiniert über das Deutschtum sprach. Wertheimer wurde nach seiner Rückkehr gezwungen, Urlaub zu nehmen.


Hans Steinacher, der im April 1933 zum Vorsitzenden des Vereins für das Deutschtum im Ausland (VDA) gewählte österreichische Nationalsozialist, und Robert Ernst, Vorsitzender des Schutzbundes für die Grenz- und Auslandsdeutschen, wurden anschließend Mitte Juni vom Reichsinnenministerium, welches das DAI überwiegend finanzierte, mit der Reorganisation des DAI in Stuttgart beauftragt. Ernst meldete dem württembergischen Ministerpräsidenten Christian Mergenthaler am 21. Juni 1933 die erfolgreiche, nur vorübergehende Übertragung der Institutsleitung auf Steinacher, Ernst und einen "Dr. Krehl".[6] Fortan wurde das DAI von „im Volkstumskampf bewährten“ Siebenbürger Sachsen Richard Csaki als Generalsekretär und dem neuen Stuttgarter Oberbürgermeister und Nationalsozialisten Karl Strölin als Präsident geführt, der für die Stadt 1936 den NS-Ehrentitel Stadt der Auslandsdeutschen holte.


Die Tätigkeitsfelder des DAIs änderten sich. Anstelle der abnehmenden Auswandererberatung wurden zunehmend Auslandskontakte zu „volksdeutschen“ Organisationen und Einzelpersonen geknüpft. Der Etat des DAIs stieg vor allem von 1933 bis 1938 stark an, dann schloss sich das DAI enger an die Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften bzw. die Volksdeutsche Mittelstelle an, die für den Nationalsozialismus eine zentrale Rolle in der Abstimmung der Volkstumsforschung spielten.[7] Der Nationalsozialist Hans Joachim Beyer gab von 1937 bis 1944 die Zeitschrift Auslandsdeutsche Volksforschung (ab 1939: nur Volksforschung) als Vierteljahrsschrift des DAI im Enke Verlag heraus. 1942–1943 wird Heinz Kloß als (Mit-)Hg. der Zeitschrift Volksforschung genannt. Der Wert dieser Publikationen wurde von den Regierenden hoch eingeschätzt, von bestimmten Artikeln gab es Sonderdrucke in hoher Auflage.


1941 übernahm der Nationalsozialist Hermann Rüdiger die Leitung, der schon vorher die Schriftleitung des „Auslandsdeutschen“ hatte. Zwei Jahre später, 1943 wurde das DAI, wie die gesamte Volkstumsforschung, formell der Volksdeutschen Mittelstelle unterstellt; damit stellte sich das DAI endgültig unter den direkten Einfluss der SS.


Das DAI beteiligte sich während der Zeit des Nationalsozialismus an staatsnahen Tätigkeiten. Es trieb revisionistische Propaganda, leitete Informationen über das Ausland und dort lebende Deutsche an Nazistellen weiter, beteiligte sich an der „ethnischen Neuordnung“ Osteuropas und engagierte sich in der sogenannten Sippenkunde. Für "Verdienste um das Auslandsdeutschtum" vergab es großzügig Ehrungen, z. B. den „Deutschen Ring“, zuletzt 1934 an Adolf Hitler, und goldene und silberne „Ehrenplaketten“.


Nach dem Krieg wurde das DAI von den amerikanischen Besatzungsbehörden als „belastet“ eingestuft. Diese Qualifizierung hinderte aber weder eine Wiedereröffnung unter dem neuen Titel Institut für Auslandsbeziehungen, noch schadete sie einer weiteren Karriere der beim DAI beschäftigten "Volkstumswissenschaftler".



Literatur |



  • Katja Gesche: Kultur als Instrument der Außenpolitik totalitärer Staaten. Das Deutsche Ausland-Institut 1933–1945. Dissertation. Universität Stuttgart. Böhlau, Köln [u. a.] 2006, ISBN 3-412-01206-8.

  • Grant Grams: German Emigration to Canada and the Support of its Deutschtum during the Weimar Republic. The Role of the Deutsches Ausland-Institut, Verein für das Deutschtum im Ausland and German-Canadian Organisations. Dissertation. Universität Marburg. Lang, Frankfurt am Main [u. a.] 2001, ISBN 3-631-37345-7 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 889).

  • Ernst Ritter: Das Deutsche Ausland-Institut in Stuttgart 1917–1945. Ein Beispiel deutscher Volkstumsarbeit zwischen den Weltkriegen. Steiner, Wiesbaden 1976, ISBN 3-515-02361-5 (Frankfurter historische Abhandlungen; 14).

  • Andreas Rutz: Auswandererforschung im Nationalsozialismus. Joseph Scheben und das Deutsche Ausland-Institut. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 105 (2018), S. 34–63.

  • Martin Seckendorf: Kulturelle Deutschtumspflege im Übergang von Weimar zu Hitler am Beispiel des deutschen Ausland-Institutes (DAI). Eine Fallstudie. In: Wolfgang Jacobeit, Hannjost Lixfeld, Olaf Bochkorn (Hrsg.): Völkische Wissenschaft. Gestalten und Tendenzen der deutschen und österreichischen Volkskunde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Böhlau, Wien [u. a.] 1994, ISBN 3-205-98208-8, S. 115–135.[8]



Weblinks |




  • Literatur von und über Deutsches Ausland-Institut im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek


  • Deutsches Ausland-Institut. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa


  • Berichte zur Umsiedlung 1940–1941 (ED 16) im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin (PDF-Datei; 43 kB)


  • Tagungsbericht 11. Dezember 2004 Martin Seckendorf: Instrumente für die Segregation. Volksforschung am Deutschen Ausland-Institut Stuttgart DAI, 1917–1945, gehalten bei der "Berliner Gesellschaft für Faschismus- und Weltkriegsforschung e.V".


  • Frühe Dokumente und Zeitungsartikel zu Deutsches Ausland-Institut in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft.



Einzelnachweise |




  1. Der Auslanddeutsche. Mitteilungen des Deutschen Ausland-Instituts. Stuttgart 1919–1938.


  2. Rolf Wilhelm Brednich, Heinz Schmitt, Germany Deutscher Volkskundekongress 30th Karlsruhe. Symbole. Münster/New York/Berlin (Waxmann)1997, S. 413.


  3. Fritz Wertheimer im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)


  4. Tammo Luther: Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933-1938. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2004. S. 74–75.


  5. Wanners Attentäter wurden nie verfolgt, siehe: Ernst Ritter: Das Deutsche Ausland-Institut in Stuttgart 1917 - 1945. Ein Beispiel deutscher Volkstumsarbeit zwischen den Weltkriegen. Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1976, S. 55


  6. Dokument bei Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.): Hans Steinacher, Bundesleiter des VDA 1933 - 1937. Erinnerungen und Dokumente. Reihe: Schriften des Bundesarchivs, Bd. 19. Boldt, Boppard 1970, S. 101f


  7. Herausgeber Beyer firmierte ausweislich des Titelblatts der Auslandsdeutschen Volksforschung als "Leiter" einer "Arbeitsstelle für auslandsdeutsche Volksforschung" in Stuttgart. Zum Verhältnis beider Institutionen siehe Ritter, S. 85–90. Der Verein arbeitete zusammen mit der Deutschen Akademie München, mit Schwerpunkt auf "Ostpolitik" sowie den "bevölkerungspolitischen, volksbiologischen und sozialhygienischen Verhältnissen des Auslandsdeutschtums" sowie der Umvolkung. Beyer wollte Mediziner, Wirtschaftswissenschaftler, Psychologen und Pädagogen, die bisher nur wenig mit "Auslandsdeutschtum" zu tun hatten, engagieren. Er wollte vom "politischen Katholizismus her bestimmte einschlägige Arbeiten" beobachten, damit ist sein Feindbild bestimmt. Seine "gesamtdeutsche Volkswissenschaft" sollte "nach Möglichkeit den Gliederungen der Partei nutzbar gemacht werden." In Köln arbeiteten Hans von Haberer, Bruno Kuske und Martin Spahn mit einem "Institut für Raumpolitik" an ähnlichen Projekten, mit denen Beyer den Schulterschluss suchte. Quelle: Thomas Müller, Imaginierter Westen. Das Konzept des »deutschen Westraums« im völkischen Diskurs zwischen politischer Romantik und Nationalsozialismus. Transcript, Bielefeld 2009, ISBN 3-8376-1112-4, S. 316 Online lesbar.


  8. Siehe auch ders. unter Weblinks.








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