Māori








Als Māori, auf Deutsch/Englisch Maori geschrieben, werden die Angehörigen der indigenen Bevölkerung Neuseelands bezeichnet. Ihre aus der pazifischen Inselwelt stammenden Vorfahren haben vermutlich im 13. Jahrhundert[1] und damit etwa 300 Jahre vor den europäischen Seefahrern in mehreren Wellen von Polynesien aus das zuvor unbewohnte Neuseeland als erste Einwanderer besiedelt. Ihre Sprache wird Te Reo Māori genannt. Im Jahr 2014 betrug der Anteil der Māori an der neuseeländischen Bevölkerung 14,9 %.[2]




Flagge von Tino Rangatiratanga, einer Māori-Unabhängigkeitsbewegung




Tukukino, ein Stammesführer des Hauraki-Distrikts, circa 1880 (Gemälde von Gottfried Lindauer)




Tanenui-a-rangi, ein modernes Wharenui auf dem Campus der Universität Auckland, wo es als Veranstaltungsraum insbesondere für das Studium der Maorikultur und -sprache benutzt wird.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Bedeutung


  • 2 Geschichte der Māori


    • 2.1 Herkunft der Māori


    • 2.2 Kontakt mit Europäern vor 1840


    • 2.3 Die Musketenkriege


    • 2.4 Die Neuseelandkriege nach 1840


    • 2.5 Beginn des Aufschwungs


    • 2.6 Māori im Zweiten Weltkrieg


    • 2.7 Seit den 1960er Jahren




  • 3 Die maorische Sprache


  • 4 Tradition und Kunsthandwerk


    • 4.1 Kleidung




  • 5 Traditionelle Religion


  • 6 Māori heute


  • 7 Siehe auch


  • 8 Literatur


  • 9 Weblinks


  • 10 Einzelnachweise





Bedeutung |


Das Wort „Māori“ wird mit Betonung auf dem a ausgesprochen, das o wird sehr kurz und manchmal kaum mehr hörbar gesprochen. Das Wort bleibt im Plural ohne s. In der Sprache der Māori bedeutet das Wort „normal“ oder „natürlich“. In Legenden und Mythen bezeichnet das Wort sterbliche Menschen im Gegensatz zu Geistern und unsterblichen Wesen. Das Wort hat Kognaten in vielen anderen polynesischen Sprachen, so in der hawaiischen Sprache maoli oder der Sprache Tahitis mā'ohi, mit ähnlichen Bedeutungen. In der zeitgenössischen Māori-Sprache bedeutet das Wort auch „ursprünglich“, „eingeboren“ oder „einheimisch“.


Außer als „Māori“ bezeichnen sich die Māori selbst auch als Tangata whenua, wörtlich „Menschen des Landes“, und betonen hiermit ihr Gefühl der Verbundenheit mit ihrem Land.


Vor 1974 war die gesetzliche Definition einer Māori-Person durch ihre Abstammung festgelegt. Dies war beispielsweise in Bezug auf das Wahlrecht wichtig.[3] Der Māori Affairs Amendment Act 1974 änderte diese Definition hin zu einer kulturellen Selbstbestimmung, was bedeutet: Māori ist, wer sich als Māori identifiziert. Um beispielsweise spezielle Fördergelder zu erhalten, ist es allerdings weiterhin erforderlich, wenigstens in Teilen Māori-stämmig zu sein. Allerdings gibt es keinen vorgeschriebenen Mindestanteil an „Māori-Blut“.[4] Dies kann durchaus zu Diskussionen führen; so entzündete sich im Jahr 2003 eine Kontroverse an der Nominierung von Christian Cullen für das New Zealand Māori Rugby Union Team, weil er nur zu 1/64 Māori-Vorfahren habe.[5] Im Allgemeinen erleben insbesondere die Māori selbst ihre Identität als nicht genetisch festgelegt, sondern als eine Frage der kulturellen Identität.



Geschichte der Māori |



Herkunft der Māori |





Tāwhiao (bis 1894), der zweite König der Māori


Neuseeland war eine der letzten Gegenden der Erde, die von Menschen besiedelt wurden. Archäologische und linguistische Forschungen führten bislang zu der Annahme, dass Neuseeland wahrscheinlich in mehreren Wellen besiedelt wurde, ausgehend von Ost-Polynesien zwischen 800 und 1300 n. Chr. Bei neueren Radiokohlenstoffdatierungen von Knochen der pazifischen Ratte, die nur als Begleitung von Menschen nach Neuseeland gelangen konnte, konnten aber nur Spuren gefunden werden, die nach 1280 datierten.[1]


Māori berichten in ihren mündlichen Überlieferungen von diesen Immigrationswellen und beschreiben und benennen das jeweilige Waka, seetüchtige Auslegerkanus. Verschiedene Stämme der Māori beziehen sich auf entsprechende Kanus und nennen nicht nur ihren Stamm, sondern auch ihr Kanu, wenn sie sich vorstellen. Ursprungsland ist in der Mythologie der Māori die Insel Hawaiki, von der bisher nicht geklärt ist, ob diese existiert, und wenn ja, welchen Namen sie heute trägt.



Kontakt mit Europäern vor 1840 |




Erster Kontakt mit Māori 1642 in der Mörderbucht, heute Golden Bay


Die Besiedelung Neuseelands durch Europäer begann vergleichsweise spät. Der neuseeländische Historiker Michael King beschreibt in seinem Buch The Penguin History Of New Zealand das Volk der Māori als „die letzte große Gemeinschaft der Erde, die unberührt und unbeeinflusst von der Außenwelt lebte“. Erste europäische Erforscher einschließlich Abel Tasman, der 1642 Neuseeland erreichte, oder Kapitän James Cook, dessen erster Besuch 1769 stattfand, beschrieben Begegnungen mit Māori. Diese frühen Berichte beschreiben die Māori als ein grimmiges und kämpferisches Kriegervolk. Kämpferische Auseinandersetzungen zwischen den Stämmen waren zu dieser Zeit häufig, und die Besiegten wurden manchmal versklavt oder getötet.





Poupou (Ahnentafel), einziges erhaltenes Objekt der Ersten Südseereise von James Cook (geschenkt 1770), heute im Museum der Universität Tübingen MUT


Ab den 1780er Jahren trafen Māori dann auf europäische Robben- und Walfänger, manche heuerten auf deren Schiffen an. Zunehmenden Einfluss auf die Māori hatten zu dieser Zeit auch Flüchtlinge aus der Sträflingskolonie Australien.


Für das Jahr 1830 wird die Anzahl der Pākehā, also der Europäer in Neuseeland, auf zirka 2.000 geschätzt. Der Status der Neuankömmlinge variierte damals von Sklaven bis zu hochrangigen Beratern, von Gefängnisinsassen bis hin zu solchen, die der europäischen Kultur freiwillig den Rücken kehrten und sich als Māori identifizierten. Letztere waren von nicht geringer Zahl und wurden als Pākehā Māori bezeichnet.[6] Sie waren bei den Māori durchaus geschätzt für ihr Wissen und ihre handwerklichen Fähigkeiten, auch im Waffenbau. Frederick Edward Maning (1811–1883),[7] ein früher Siedler und Schriftsteller, schrieb zwei Bücher über das Leben der Siedler und der Pākehā Māori, die heute als Klassiker der neuseeländischen Literatur gelten, auch wenn sie nicht den Erfordernissen historischer Detailgenauigkeit genügen.[8]


Doch die Europäer brachten auch Krankheiten mit, die für die Māori zum Teil verheerende Auswirkungen hatten. Schätzt man die Population der Māori im 18. Jahrhundert noch auf 220.000 bis 250.000, geht man für 1896 nur noch von etwa 40.000 Ureinwohnern aus. Krankheiten wie Tuberkulose, Masern, Typhus und Influenza konnte sich unter ihnen ungehindert ausbreiten, da ihr Immunsystem auf die neuartigen Krankheiten nicht vorbereitet war. Aber auch der Erwerb und Gebrauch von Schusswaffen, mitgebracht durch die Europäer und als Gegenleistung für neuseeländischen Flachs an die Māori verkauft, hatte bei Stammesstreitigkeiten gravierende Auswirkungen.[9]



Die Musketenkriege |






Tāmati Wāka Nene, eine wichtige Figur der Neuseelandkriege, mit typischen Tätowierungen (ca. 1870)


Der enge Kontakt vieler Stämme zu den Europäern und deren Waffentechnologie, insbesondere Musketen, führte zu einem militärischen Ungleichgewicht zwischen den Stämmen und zu zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen diversen Stämmen, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts als die Musketenkriege in die Geschichte Neuseelands eingegangen sind. Da diese Gefechte mitunter sehr blutig geführt wurden, nahm die Zahl der Māori erheblich ab, auch wenn die genauen Opferzahlen nicht bekannt sind. Außerdem führten die Musketenkriege zu verschiedenen erzwungenen Wanderungsbewegungen einzelner flüchtiger Stämme mit Verschiebungen ihrer traditionellen Siedlungsgebiete.


Mit dem zunehmenden Einfluss von Missionaren, der Besiedlung in den 1830er Jahren und einer gewissen Gesetzlosigkeit geriet die britische Krone zunehmend unter den Druck zu intervenieren.



Die Neuseelandkriege nach 1840 |



Der Vertrag von Waitangi, der im Jahre 1840 unterzeichnet wurde, besagte, dass die Māori-Stämme ungetrübten Besitz von Land, Wäldern, Fischgründen und anderen taonga haben sollten. Im Verlauf der Jahre bis 1872 kam es zu mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen als Folge von Unklarheiten dieses Vertrags. Heute regelt das Waitangi Tribunal Unstimmigkeiten.



Beginn des Aufschwungs |


Die vorhergesagte Abnahme der Māori-Population trat nicht ein. Auch wenn in erheblichem Umfang Māori und Europäer heirateten und sich also durchmischten, behielten doch viele ihre kulturelle Identität. Es gibt deshalb zahlreiche Möglichkeiten der Definition, wer Māori ist und wer nicht. Insofern gibt es keine eindeutig homogene gesellschaftliche Gruppierung namens Māori.


Ab dem Ende des späten 19. Jahrhunderts gab es erfolgreiche Māori-Politiker wie James Carroll, Apirana Ngata, Te Rangi Hīroa und Maui Pomare. Diese Gruppe, bekannt als Young Māori Party, verfolgte das Ziel, ihr Volk nach den Bedrohungen im 19. Jahrhundert wiederzubeleben. Dies zielte nicht auf eine Abgrenzung, sondern durchaus auf die Übernahme westlichen Wissens und Werte wie in der Medizin oder Ausbildung, aber auf der anderen Seite die unbedingte Förderung der traditionellen Kultur wie der Künste. Apirana Ngata war ein großer Förderer von traditionellem Handwerk wie dem Schnitzen oder dem Tanz, dem Kapa Haka. Er entwickelte zudem ein Programm zur Landentwicklung und verhalf vielen Stämmen dazu, ihr Land zurückzugewinnen.



Māori im Zweiten Weltkrieg |


Die neuseeländische Regierung beschloss eine Ausnahme für Māori, wonach sie nicht wie andere Bürger während des Zweiten Weltkriegs zum Militär eingezogen wurden, aber viele Māori meldeten sich freiwillig und formten das 28. oder Māori-Bataillon, das auf Kreta, in Nordafrika und Italien eingesetzt wurde. Insgesamt nahmen etwa 17.000 Māori an Kriegshandlungen teil.



Seit den 1960er Jahren |


Seit den 1960er Jahren erlebte die Kultur der Māori einen umfassenden Aufschwung. Die Regierung erkannte die Māori als politische Kraft an. Das Waitangi Tribunal wurde 1975 installiert, eine Instanz, bei der Māori ihre Rechtsansprüche, die sich aus dem Vertrag von Waitangi ergeben, anmelden können. Allerdings kann dieses Tribunal nur Empfehlungen aussprechen, die für die Regierung nicht bindend sind. Immerhin haben Māori beispielsweise grundsätzliche Ansprüche auf Fischen und Waldwirtschaft erfolgreich geltend machen können. Als Folge des Tribunals wurden zudem zahlreichen Iwi Entschädigungsgelder insbesondere für die Landenteignungen bezahlt, die nach Schätzung der Māori aber nur 1 % bis 2,5 % des Schadens abdeckten.


Im Juni 2008 einigten sich die Regierung Neuseelands und ein Maori-Kollektiv aus sieben Stämmen nach über 20 Jahren Verhandlungszeit auf eine umfassende Entschädigung für die Ureinwohner. Dem Kollektiv, das rund 100.000 Maori im Zentrum des Landes repräsentiert, wurden 176.000 Hektar kommerziell genutzter Waldfläche und die Einnahmen aus deren Bewirtschaftung zugesprochen. Den Gesamtwert der Wiedergutmachung bezifferte die Regierung auf 500 Millionen Neuseeland-Dollar (etwa 243 Millionen Euro). Durch den Vertrag wurden die sieben Stämme zu den größten Waldbesitzern Neuseelands.[10]


Im Jahr 1994 zeigte der Film Once Were Warriors (Die letzte Kriegerin), auf der Grundlage eines Romans aus dem Jahr 1991, einem breiten Publikum die Misere des Māori-Lebens insbesondere in städtischen Umgebungen auf. Der Film hatte in dieser Zeit die höchsten Einspielzahlen und erhielt international viele Auszeichnungen. Manche Māori befürchteten allerdings, dass dieser Film ein Bild erzeugt, das den Māori-Mann als generell gewalttätig erscheinen lässt.



Die maorische Sprache |


Nach dem Zweiten Weltkrieg ging in vielen Gegenden Neuseelands Te Reo Māori, die Sprache der Māori, als Alltagssprache verloren. Heute sind viele Māori mittleren Alters dieser ursprünglichen Sprache nicht mehr mächtig. Seit den 1970er Jahren unterrichten deshalb viele Schulen die Kultur und Sprache der Māori, und in den Kindergärten entstanden sog. kōhanga reo (Sprachnester), in denen mit den Kindern ausschließlich Māori gesprochen wird. Im Jahr 2004 startete Māori Television, ein staatlich finanzierter Fernsehsender, der seine Sendungen möglichst in Māori ausstrahlt, wenn auch mit englischen Untertiteln.


Te Reo Māori ist heute Amtssprache in Neuseeland. Deshalb sind offizielle Webseiten in beiden Sprachen gehalten, und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sollten wenigstens in Ansätzen der Sprache mächtig sein, was sich aber bislang nicht durchsetzen lässt. Die Volkszählung im Jahre 2006 ergab, dass 4,1 % aller Neuseeländer Te Reo Māori sprechen können.[11]



Tradition und Kunsthandwerk |





Kupe bekämpft zwei Seeungeheuer


Bis zur Ankunft der Europäer lebten die Māori vom Fischfang, der Jagd nach Vögeln und Ratten, vom Sammeln von Beeren, Sprossen, Kernen und Farnwurzeln und vom Anbau von Kūmara (Süßkartoffeln), Taro, Hue (Flaschenkürbis) und Uwhi (Yams), die allesamt ihre Vorfahren von den nördlichen pazifischen Inseln mitgebracht hatten.[12] Das erste Jahrhundert nach Ankunft der Māori auf Neuseeland wird als die „Moas-Jäger-Periode“ bezeichnet, da der große flugunfähige Laufvogel für die Māori eine leichte Beute darstellte und schätzungsweise im 14. Jahrhundert gänzlich ausgerottet wurde. Danach gewannen der Fischfang und der Anbau von Feldfrüchten größere Bedeutung.[13]


Werkzeuge wurden aus Steinen, Holz und Knochen hergestellt. Wichtige mechanische Hilfsmittel waren Keile, Kufen, Flaschenzüge, Pflug und mit Schnüren betriebene Bohrer. Die Holzbearbeitung zum Bau von Hütten und Kanus sowie die Bearbeitung von Flachs zur Ausgestaltung der Hütten war, unter Berücksichtigung der verwendeten einfachen Werkzeuge, hoch entwickelt. Waffen (Mere) wurden aus Hartholz, starken Knochen oder aus Steinen wie Pounamu hergestellt. Zum Fischen verwendeten sie Speere, Angelschnüre mit Haken und auch Netze und Reusen. Besondere Bedeutung hatte die Herstellung von Matten, die aus dem neuseeländischen Flachs gefertigt wurden.[14]


Kunst fand in der Gesellschaft der Māori in Form von mündlicher Literatur und Redekunst, Dichtung über Gesang, in verschiedenen Darbietungen von Musik und Tanz, in der Weberei, in der Holzschnitzerei und in der Herstellung von Skulpturen aus Holz und Stein ihren Ausdruck. Auch die Tätowierungen des Körpers, bevorzugt des Gesichtes, waren eine Kunstform, in der sozialer Rang, Status der Geburt, Heirat, Autorität und persönliches Zeichen gleich einer Unterschrift dargestellt wurden.


Die Malerei der Māori war vor der Ankunft der Europäer nicht so bedeutungsvoll, wie sie in den Jahren danach wurde. Auch die Wharenui (Versammlungshäuser) unterschieden sich in Anzahl und Bedeutung von denen, die wir heute kennen und die von den jeweiligen Māori-Clans zum zentralen Mittelpunkt ihrer Gemeinschaft gemacht wurden und heute auch Ausdruck ihrer Kultur sein sollen.[15] In der Malerei hatte in der voreuropäischen Zeit lediglich die Kunst der Kowhaiwhai-Malerei, mit deren Mustern die Dachsparren in den Häusern, Denkmäler, Paddel und die Unterseite der Kanus bemalt wurden, eine gewisse Bedeutung.[16]


Eine der bekanntesten Traditionen der Māori ist der Haka, ein Kriegstanz, der heutzutage auf Festen und zur Begrüßung von Gästen zelebriert und gerne auch vor Touristen aufgeführt wird. Zur Bekanntheit dieses Kriegstanzes haben die All Blacks beigetragen, die vor ihren Rugby-Spielen regelmäßig den Haka aufführen, für die Zuschauer und auch, um dem Gegner Respekt beizubringen. Poi, das Jonglieren mit an Seilen angebundenen Bällen, ist eine künstlerische Darbietung der Frauen, die damit angeblich um die Gunst der Männer werben wollten.



Kleidung |


Ursprünglich kleideten die Maori sich in Mäntel unterschiedlicher Art und Größe. Sie waren kunstvoll aus Neuseeländer Flachs gearbeitet oder aus Hundefellen zusammengesetzt. Sie hielten gut die Wärme, schützten vor Nässe und waren von großer Dauerhaftigkeit. Viel Beachtung außerhalb Neuseelands fand die eindrucksvolle Häuptlingskleidung aus Federn und Vogelfellen, die Gottfried Lindauer in eindrucksvollen, naturgetreuen Abbildungen bekannt machte. Später versuchten einzelne Häuptlinge, die stattdessen mit einem schwarzen Anzug, Stiefeln und einem Zylinderhut auftraten, sich nach europäischer Art zu kleiden.[17]



Traditionelle Religion |



In der Sprache der Māori existiert kein eigenständiges Wort für Religion, denn in ihrer Weltsicht gab es keinen Unterschied zwischen einer diesseitigen und einer jenseitigen Welt. Es ist erstaunlich, dass man ausgerechnet im riesigen pazifischen Ozean von einer im Wesentlichen einheitlichen polynesischen Religion sprechen kann, zu der auch die traditionellen Glaubensvorstellungen der Māori zählen.[18]


Die ersten Besiedler Neuseelands und die mythischen Vorfahren des einfachen Volkes werden nach den Überlieferungen Manahune (etwa: die Experten des Mana) genannt. Von ihnen stammt eine animistische Weltsicht von der (göttlichen) Beseeltheit der ganzen Welt mit verschiedenen Geistwesen und Schutzgöttern (Aiki). Bereits aus dieser Zeit stammen die Mythen von den Kulturheroen „Maui“ (der Schalk) und „Tiki“ (der erste Mensch), die wesentlich an der Entstehung des Lebens, der Fruchtbarkeit und der menschlichen Kultur (insbesondere des Fischfangs) beteiligt waren.[19]


Wie in allen polynesischen Religionen hatte der Ahnenkult eine große Bedeutung, die Auffassung vom Menschen war zweigeteilt in Körper und Seele,[18] und die polytheistische, stark hierarchisch gegliederte Götterwelt spiegelte die Gesellschaftsschichten des vorstaatlichen Häuptlingstums in Sklaven, einfache Manahune und Ariki (Oberpriester und Oberhäuptling) wider. Auch auf Neuseeland ist ein Verständnis der traditionellen Gesellschaft ohne grundsätzliche Einbeziehung dieser transzendenten Grundhaltung nicht möglich.[19] Die zentralen Begriffe sind auch hier Mana und Tapu. Von den Ahnen erbte der Māori nicht nur die göttliche Kraft Mana, sondern sie nahmen durch Zeichen oder Träume unmittelbaren Einfluss auf das Leben des Einzelnen und verkörperten zugleich das Stammland, das die Lebenden mit den Toten verband.[20] Wie für so viele Fähigkeiten und Künste gab es auch für die Religion neben dem Ariki und den Propheten (tula oder taura) verschiedene sachverständige Experten, die Tohunga genannt wurden.[21] In der Kunst der Māori fallen die Manaia-Wesen auf, anthropozoomorphe Figuren mit Vogel- und Reptilköpfen. Ähnliche Figuren finden sich auch auf der Osterinsel, wo die Verehrung der Vogelmenschen zentraler Bestandteil eines Kultes ist.


Die Göttervorstellungen der Māori (→ Rangi und Papa) beruhen zwar auf einem gemeinpolynesischen Schöpfungsmythos, müssen jedoch darüber hinaus für sich gesehen werden.[19] Auf Neuseeland gilt Tane als Gott der Bäume und Wälder, von denen angenommen wurde, dass sie durch die Kraft ihres Wachstums den Himmel von der Erde hatten lösen können. Ein weiterer (männlicher) Gott war Tangaroa (Tangaloa, Ta’aroa), der Herrscher über das Meer, der auf einigen Inseln Polynesiens als oberster Schöpfergott und Ahnherr der Adelsgeschlechter verehrt wurde. In Zusammenhang mit ihm steht die Überlieferung von dem Weltei: Einst entschlüpfte Tangaroa einem eiförmigen Gebilde, wobei der obere Rand der zerbrochenen Eischale heute den Himmel, der untere Rand die Erde bildet.


Wie überall in Polynesien setzte bereits kurz nach den britischen Forschungsreisen im 18. Jahrhundert eine intensive christliche Missionstätigkeit ein. Kennzeichnend für sie war dabei die Strenge, mit der sie jegliche synkretistischen „Verknüpfungsversuche“ von traditionellem Glauben und Christentum unterbanden.[22] Dennoch entstanden solche Bewegungen im 19. Jh., die versuchten, aus Elementen der traditionellen und christlichen Religion „neue polynesische Religionen“ zu schaffen, so etwa Pai Mārire ab 1864 oder Ratana ab 1918.[19] Die eher christlich geprägte Ratana-Kirche erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit bei den Eingeborenen, die mehrheitlich Christen sind. Die alten Götter (bzw. die Elemente, für die sie stehen), die religiösen Mythen sowie mana und tapu sind trotz der Christianisierung noch im Denken der Menschen verhaftet.[19]



Māori heute |


Die mehr als 565.000 Menschen, die sich als Māori identifizieren, machten 2006 14,6 % der neuseeländischen Bevölkerung aus, mit deutlichen regionalen Unterschieden.[23] Als Māori gilt, wer sich mit der Kultur der Māori identifiziert, unabhängig von Māori-Vorfahren oder deren Anzahl. Der Anteil der Personen mit wenigstens einigen Māori-Vorfahren liegt mit knapp 644.000 höher. Die Anzahl derer, die sich als Māori identifizieren, steigt allerdings. Dies wird mit dem gestiegenen Stellenwert des Maoritums in der neuseeländischen Gesellschaft erklärt, aber auch mit einigen den Māori eingeräumten Privilegien wie z. B. Besonderheiten im Wahlrecht und stärkerer Ausbildungsförderung.


Auch wenn die Situation der Māori weithin als gut beschrieben wird (was sie im Vergleich zu anderen indigenen Völkern auch ist), so gibt es doch nach wie vor auch schwerwiegende Probleme innerhalb der Māori-Gemeinschaft selbst. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Māori liegt deutlich unter demjenigen Gesamt-Neuseelands, in der sozialen Unterschicht sind die Māori überproportional vertreten und 39,5 % aller Māori über 15 Jahren haben keinen Schulabschluss im Vergleich zu 25 % der neuseeländischen Gesamtbevölkerung.[24]


Die Lebenserwartung ist weiterhin deutlich geringer als bei Nicht-Māori, auch wenn sie sich bis heute schon wesentlich verbessert hat. So betrug die durchschnittliche Lebenserwartung im Jahr 1900 32 Jahre, 1946 für Männer 48,8 Jahre und für Frauen 48 Jahre. 2003 betrug sie für männliche Māori 67 und für weibliche 72 Jahre (Vergleich: Nicht-Māori-Männer 75 und -Frauen 81 Jahre).[25]


Bekannte Persönlichkeiten unter den Māori sind die Fußballnationalspielerin und WM-Teilnehmerin Abby Erceg sowie die Star-Wars-Darsteller Temuera Morrison und Daniel Logan. Die Opernsängerin Kiri Te Kanawa hat einen Māori-Vater und eine irische Mutter.



Siehe auch |



  • Indigene Völker Australien-Ozeaniens

  • Maori-Musik

  • Maori-Malerei



Literatur |



  • Roger Neich: Painted Histories. Early Maori Figurative Painting. Auckland University Press, Auckland 1993, ISBN 1-86940-087-9 (englisch). 


Weblinks |



 Commons: Māori – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien



  • Literatur zum Thema Māori im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek


  • Historical Māori and Pacific Islands. NZETC, abgerufen am 3. Mai 2013 (englisch, Liste mit Links zu anderen Quellen). 


  • Contemporary Māori and Pacific Islands. NZETC, abgerufen am 3. Mai 2013 (englisch, Liste mit Links zu anderen Quellen). 



Einzelnachweise |




  1. ab
    J. M. Wilmshurst, A. J. Anderson, T. F. G. Higham, T. H. Worthy: Dating the late prehistoric dispersal of Polynesians to New Zealand using the commensal Pacific rat. In: The National Academy of Sciences (Hrsg.): PNAS. Volume 105, Nr. 22. Washington 3. Juni 2008 (englisch, online [abgerufen am 3. Mai 2013]). 




  2. New Zealand in Profile 2014. (PDF; (3,5 MB)) Statistics New Zealand, abgerufen am 5. Juni 2014 (englisch). 




  3. Neill Atkinson: Adventures in Democracy – A History of the Vote in New Zealand. Otago University Press, Dunedin 2003, ISBN 1-877276-58-8 (englisch). 




  4. Tracey McIntosh: Maori Identities – Fixed, Fluid, Forced. In: James H. Liu, Tim McCreanor, Tracey McIntosh, Teresia Teaiwa (Hrsg.): New Zealand Identities – Departures and Destinations. Victoria University Press, Wellington 2005, ISBN 0-86473-517-0, S. 45 (englisch). 




  5. Rugby Union – Uncovering the Maori mystery. BBC Sport, 5. Juni 2003, abgerufen am 3. Mai 2013 (englisch). 




  6. Trevor Bentley: Pakeha Maori – The Extraordinary Story of the Europeans Who Lived As Maori in Early New Zealand. Penguin Books, Auckland 1999, ISBN 0-14-028540-7, S. 132–133 (englisch). 




  7. Frederick Edward Maning – 5 July 1812–1883. New Zealand Electronic Text Collection (NZETC), abgerufen am 3. Mai 2013 (englisch). 




  8. Frederick Edward Maning: Old New Zealand – History of the War in the North of New Zealand against the Chief Heke. 1863 (englisch, online (PDF; 2 MB) (Memento vom 4. Februar 2007 im Internet Archive) – Zusammenstellungen von Erzählungen und Berichten). 




  9. Robert MacDonald: The Maori of Aotearoa-New Zealand. The Minority Rights Group, London 1990, ISBN 0-946690-73-1, S. 5 (englisch). 




  10. Nach 150 Jahren Diskriminierung – Maori erhalten Entschädigung. N-TV, 25. Juni 2008, archiviert vom Original am 26. Juni 2008; abgerufen am 3. Mai 2013. 




  11. QuickStats About Culture and Identity – Languages spoken. Statistics New Zealand, abgerufen am 3. Mai 2013 (englisch). 




  12. Tanira King: AhuwhenuaMāori land and agriculture - Changes to Māori agriculture. In: Te Ara – the Encyclopedia of New Zealand. 22. September 2012, abgerufen am 22. März 2016 (englisch). 




  13. Waldemar Stöhr: Lexikon der Völker und Kulturen. Westermann, Braunschweig 1972, ISBN 3-499-16160-5, S. 97 f. 




  14. Christopher Latham: Culture summary: Maori. HRAF Publication Information, New Haven, Connecticut 2009 (englisch). 




  15. R. Neich: Painted Histories. 1993, S. 1 ff. 




  16. R. Neich: Painted Histories. 1993, S. 16. 



  17. J. J. Weber: Hausschatz der Länder- und Völkerkunde - Geographische Bilder aus der gesamten neuen Reiseliteratur. Band 2, J. J. Weber, Leipzig 1896, abgerufen 17. April 2018.


  18. ab
    Annette Bierbach, Horst Cain: Polynesien. In: Horst Balz u. a. (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Band 27: Politik/Politologie – Publizistik/Presse. Walter de Gruyter, Berlin/ New York 1997, ISBN 3-11-019098-2. S.



  19. abcde
    Corinna Erckenbrecht: Traditionelle Religionen Ozeaniens. In: Harenberg Lexikon der Religionen. Harenberg-Verlagsgruppe, Dortmund 2002, S. 938–951, abgerufen am 14. Oktober 2015. (Einführung in die Religionen Ozeaniens)



  20. Mihály Hoppál: Das Buch der Schamanen. Europa und Asien. Econ Ullstein List, München 2002, ISBN 3-550-07557-X, S. 427 f.


  21. S.A. Tokarew: Die Religion in der Geschichte der Völker. Dietz Verlag, Berlin 1968, S. 112 f.


  22. Hermann Mückler: Mission in Ozeanien. Facultas, Wien 2010, ISBN 978-3-7089-0397-2, S. 44–46.



  23. QuickStats About New Zealand – Ethnic groups, birthplace and languages spoken. Statistics New Zealand, abgerufen am 3. Mai 2013 (englisch). 




  24. QuickStats About New Zealand – Education. Statistics New Zealand, abgerufen am 3. Mai 2013 (englisch). 




  25. Mason Durie: Ngā Kāhui PouLaunching Māori Futures. Huia Publishers, Wellington 2003, ISBN 1-877283-98-3, S. 143 (englisch). 









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